Band I - Erster Teil Gott der Vater
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der "Sonnengesang" des hl. Franziskus, den er "zum Lob und zur Ehre Gottes verfaßt hat, als er krank zu San Damiano lag"
"Du höchster, allmächtiger, guter Herr,
Dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit
und die Ehre und jegliche Benedeiung.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, Dich nur zu nennen.
Lob sei Dir, Du Herre mein, mit allen Deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder, der Sonne,
denn er ist der Tag,
und er spendet das Licht uns durch sich.
Und er ist schön und strahlend in großem Glanz.
Dein Sinnbild trägt er, Du Höchster."
In ähnlicher Weise spricht Franziskus den Mond, die Sterne an, den Wind, das köstliche und keusche Wasser, Feuer, Erde, Blumen und Kräuter, aber auch Krankheit, Drangsal und Tod. Er hat zu den Mitgeschöpfen geradezu ein geschwisterliches Verhältnis und nennt sie daher Bruder und Schwester.

Wenn die Verherrlichung Gottes der erste Sinn der Schöpfung ist, dann hat dies nichts mit einem egoistischen und narzißtischen Wesen Gottes zu tun. Gottes Herrlichkeit ist die Herrlichkeit seiner Liebe. Gottes Ehre ist deshalb zugleich das Heil des Menschen. "Gottes Ehre ist der lebendige Mensch" (Irenäus von Lyon). So dient die Schöpfung auch der Beglückung der Geschöpfe, die an Gottes Herrlichkeit teilhaben dürfen und die eben in der Verherrlichung Gottes ihre letzte Erfüllung linden. Der Mensch findet seine letzte Erfüllung nicht im Haben und Genießen, sondern in Fest und Feier, im Danken, Loben und Preisen. Die Eucharistie, die Danksagung, in die Brot und Wein repräsentativ für die gesamte Schöpfung einbezogen sind, ist darum die Sinnmitte der Welt, gleichsam die Liturgie der Welt und die Vorwegnahme ihrer endgültigen Vollendung. Paulus bringt diese rechte Ordnung zum Ausdruck: "Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott" (1 Kor 3,22-23).
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