Band I - Erster Teil Gott der Vater
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Die Erhaltung der Welt und ihrer Ordnungen ist auch deshalb von existentieller Bedeutung, weil der Kosmos dauernd vom Chaos bedroht ist. Die Sintflutgeschichte erzählt uns von dieser ständigen Gefahr. Am Ende verheißt sie aber auch den Bestand der Weltordnung: "Solange die Erde besteht, sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht" (Gen 8,22). Der Feind des Lebens ist der Tod. Deshalb geschieht der Akt der Erhaltung der Welt dort, wo Gott noch im Tod den Menschen nicht ins Nichts zurückfallen läßt, sondern ihn trägt, erhält und zu neuem Leben erweckt. Der Gott, der "das, was nicht ist, ins Dasein ruft", ist zugleich der "Gott, der die Toten lebendig macht" (Röm 4,17). Dies geschah ein für allemal in Tod und Auferweckung Jesu Christi. Auf sie hin und von ihr her geschieht alle Erhaltung der Welt. Auch in diesem Sinn hat in Jesus Christus alles Bestand (vgl. Kol 1,17).

1.5 Gottes verborgene Vorsehung

Der Schöpfungsglaube gewinnt erst im Glauben an die Vorsehung Gottes seine letzte Tiefe und seinen existentiellen Ernst. Freilich werden im Vorsehungsglauben auch große existentielle Schwierigkeiten deutlich. Immer wieder geraten wir in Situationen, in denen wir fragen: Warum muß ich dies erleiden? Warum gerade ich? Oft sprachen und sprechen die Menschen - je nachdem - von einem blinden, guten oder bösen Schicksal. Oft meinten und meinen sie, dieses Schicksal sei in den Sternen geschrieben und durch Sterndeutung (Astrologie) zu ermitteln. In säkularisierter Sprache reden wir von einem Glückspilz, einem Sonntagskind, einem Hans im Glück, über dessen Leben ein glücklicher Stern waltet, oder von einem Pechvogel, der vom Mißgeschick geradezu verfolgt ist. Bewußt oder unbewußt gibt es auch heute noch vielerlei Relikte des Aberglaubens: Talisman, Angst vor Unglückszahlen, Glaube an gute und schlechte Vorzeichen u. a.

Auch die Bibel geht davon aus, daß das Leben und die Wirklichkeit im Ganzen eine Ordnung haben, die wie eine Macht über den Menschen waltet. Aber diese Macht ist für die Bibel keine anonyme Schicksalsmacht, sondern die persönliche Führung durch Gott. Von dieser persönlichen Führung wird uns schon im Alten Testament bei einzelnen biblischen Gestalten berichtet, beim ägyptischen Josef, bei Mose, der als Knäblein
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