Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
Seite 101 Seite: 102 Seite 103
Handlungsnormen sehen. "Tatsächlich gewinnen die natürlichen Neigungen nur insofern sittliche Bedeutung, als sie sich auf die menschliche Person und ihre authentische Verwirklichung beziehen, die andererseits immer und nur im Rahmen der menschlichen Natur zustande kommen kann" (VS 50). Deshalb muß der Mensch versuchen, in ihnen die humanen Möglichkeiten ihrer Gestaltung zu entdecken und im Leben zu verwirklichen.

Solche humanen Möglichkeiten finden sich auch im Verhältnis zu den Mitmenschen, zur Schöpfung und zu den Institutionen und Strukturen des technischen, wirtschaftlichen und politischen Lebens. In allen diesen Bereichen und Bezügen müssen wir uns darum bemühen, daß unser Verhalten mit der Sinnausrichtung unseres Menschseins übereinstimmt. Je besser uns dies gelingt, um so mehr werden wir unserem Menschsein gerecht.

In dieser Einsicht der Vernunft und in diesem Bemühen sind die Christen verbunden mit allen Menschen guten Willens, die eine immer größere Humanisierung der Welt zu erreichen suchen. Verständnisbrücke ist dabei die Vernunft. Was in der Vernunfteinsicht als verpflichtende Norm erkannt wird, erhebt den Anspruch, unbedingt befolgt zu werden. Dieser Anspruch gilt für den Nichtglaubenden gleichermaßen wie für den Glaubenden. Die als verpflichtend erkannte Norm bindet den Menschen im Gewissen.

Das in der Vernunfteinsicht erkannte natürliche Sittengesetz, daß das Gute zu tun und das Böse zu meiden ist, kann von allen Menschen als festes Fundament erkannt werden, auf welchem ein Gebäude von moralischen Regeln aufgebaut ist, welche die sittlichen Entscheidungen leiten sollen. Auch diese Regeln können als Anwendungen des natürlichen Sittengesetzes grundsätzlich von allen Menschen erkannt werden. Da jedoch die Gebote des natürlichen Gesetzes nicht von allen Menschen klar und unmittelbar wahrgenommen werden, sind dem sündigen Menschen in seiner jetzigen Verfaßtheit Gnade und Offenbarung notwendig, damit sie "von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden" können (DS 3876; KKK 1960).

"Das sittliche Naturgesetz verschafft dem offenbarten Gesetz und der Gnade eine Grundlage, die von Gott gelegt und dem
Seite 101 Seite: 102 Seite 103