Band I - Erster Teil Gott der Vater
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Ausbeutung und dem egoistischen Konsum des Menschen dient. Im Gegenteil, aus dem Glauben an Gott, den "Schöpfer und Herrn der Erde", ergeben sich ethische Impulse. Weil Gott der Schöpfer und der Herr der Erde ist und diese als Gottes Schöpfung eine eigene Würde besitzt, ist sie dem Menschen zur verantwortlichen und pfleglichen Herrschaft anvertraut (vgl. Gen 1,28-30; 2,15). Nicht umsonst ist in diesem Zusammenhang vom Kulturauftrag, d. h. wörtlich übersetzt: vom Auftrag zum Hegen und Pflegen, die Rede. Dieser Gesichtspunkt ist gerade in unserer Situation von Bedeutung. Denn heute sind um einer lebenswürdigen Zukunft der Menschheit willen neue Orientierungen, aber auch neue Formen der Selbstbescheidung im Umgang mit unserer Umwelt vonnöten (vgl. Gem. Synode, Unsere Hoffnung IV, 4).

Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Frage nach Recht und Grenzen des Eigentums. Weil Gott der Schöpfer und der Herr der Erde ist und weil er sie für alle Menschen gemacht hat, kann der Mensch nur als Treuhänder Eigentümer der Erde sein. Sein Recht auf Eigentum wird im 7. Gebot ausdrücklich geschützt (vgl. Ex 20,15.17; Dtn 5,19.21), aber es wird von den Propheten doch eindeutig der Fürsorgepflicht für die sozial Schwachen untergeordnet. Die Kritik der Propheten Amos und Jesaja an der Unterdrückung und Ausbeutung der Armen, an der Bestechlichkeit der Richter und an der Unbarmherzigkeit und Parteilichkeit der Amtsträger läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig (vgl. Am 5,10-12; 8,4-8; Jes 5,8-10; 10,1-3 u. a.). Auch wenn Jesus sich nicht als Richter oder Erbteiler eingesetzt weiß (vgl. Lk 12,13-14), so weiß er sich im Anschluß an den Propheten Jesaja doch gesandt, den Armen die Frohe Botschaft zu bringen und die Freilassung der Gefangenen auszurufen (vgl. Jes 61,1-2; Lk 4,18). Die freiwillige Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde ist ein Zeichen der anbrechenden Gottesherrschaft (vgl. Apg 2,44-45; 4,32-37). Dasselbe Ideal war zu allen Zeiten der Kirchengeschichte für Christen, die dazu berufen waren, ein Anstoß, freiwillig auf persönliches Eigentum zu verzichten und in Ordensgemeinschaften Gütergemeinschaft zu üben. Für alle Christen aber folgt aus der Herrschaft Gottes über die Erde, daß die Güter der Erde gerecht zu verteilen sind, damit alle daran Anteil haben und jeder seinen Lebensraum und seine Lebensbedingungen auf der Erde finden kann (vgl. GS 69).
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