Band I - Erster Teil Gott der Vater
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umfassender und tiefer ist, als eine rationalistisch mißverstandene Vernunft ahnt. Die Wirklichkeit hat ein Unten und ein Oben, ohne welche der Schöpfung Ganzheit, Fülle und Vollkommenheit fehlen würde. Sie wäre dann materialistisch verengt und hätte nicht jene geheimnishafte (numinose) Tiefe und Höhe, die auch viele Dichter und Denker erahnt haben. In der Bildersprache des Mythos drückt sich also eine wesentliche Dimension der Wirklichkeit aus, die rein begrifflich kaum zu fassen ist.

Das Zeugnis der Heiligen Schrift von der Existenz der Engel ist eindeutig. Es findet sich in der Bibel an sehr vielen Stellen.
"Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes." (Ps 33,6)

"Denn in ihm (Christus) wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten..." (Kol 1,16)
Neben dem Zeugnis der Heiligen Schrift ist vor allem das Zeugnis der Liturgie von Bedeutung. Die Engel kommen dort nicht nur am Rande vor, sie haben ihren Ort in der innersten Mitte der Liturgie, beim Sanctus innerhalb des eucharistischen Hochgebets. Gestützt auf solche Zeugnisse der Schrift, der Liturgie und der übrigen Überlieferung hat die kirchliche Lehrverkündigung die Existenz der Engel mehrfach amtlich bekundet (vgl. DS 455-457; 800; 3002; NR 288-290; 295; 316).

Was sind die Engel? Nach der Heiligen Schrift sind sie eindeutig Geschöpfe. Wir dürfen sie verehren, aber nicht anbeten (vgl. Dtn 17,3; Offb 22,8-9). In Anlehnung an die Bibel (vgl. Hebt 1,14) bestimmt sie das Glaubensbekenntnis als unsichtbare, d. h. geistige Schöpfung. Das heißt nicht, daß sie ohne jeden Bezug zur sichtbaren Welt sind und nur sporadisch in sie hineinwirken. Sie repräsentieren einzelne Bereiche der Schöpfung vor Gott.

Die ureigene Aufgabe der Engel ist die Verherrlichung Gottes. Immer wieder heißt es in der Heiligen Schrift: "Lobt den Herrn, ihr seine Engel" (Ps 103,20; vgl. 148,2; Dan 3,59). Im Sanctus der Liturgie stimmt die Kirche in das Dreimal-Heilig der Engel vor dem Thron Gottes ein (vgl. Jes 6,3; Offb 4,8). So verwirklichen die Engel das wichtigste Sinnziel der Schöpfung, die Verherrlichung Gottes. Die Engel sind aber auch in die Geschichte Gottes mit den Menschen einbezogen. Auch die Engel sind in Christus und auf Christus hin geschaffen (vgl. Kol 1,16). Deshalb sind sie nach den großen Lehrern der Kirche von Gott mit übernatürlicher Gnade ausgestattet. Sie sind in der Geschichte Gottes mit den Menschen Diener und Boten Gottes (vgl. Hebt 1,7). Besonders im Zusammenhang der Offenbarung Jesu Christi treten sie als deutende Boten auf (vgl. Lk 1,11-13.26-28; Mt 28,2-4; Apg 1,10-11). Schließlich sind die Engel personale Gestalten des Schutzes und der Fürsorge Gottes für die Gläubigen. In dem bekannten Psalm (und Kirchenlied) "Wer im Schutz des Höchsten wohnt" wird das Vertrauen und die Zuversicht in Gott auch damit begründet: "Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen" (Ps 91,11; vgl. Gotteslob 291). So sind die Engel "dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen" (Hebt 1,14).
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