Ausgehend von solchen Aussagen hat sich in der Frömmigkeitsgeschichte der Kirche der Glaube herausgebildet, Gott habe jedem Gläubigen, ja jedem Menschen einen besonderen Schutzengel beigegeben. Diese Glaubensüberzeugung stößt heute, zumal in der verniedlichenden Form eines falschen Kinderglaubens, auf Skepsis. Sie hat indes - recht verstanden - einen Anhalt in der Aussage Jesu über die Kinder: "Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters" (Mt 18,10). Sie bringt nochmals zum Ausdruck, daß die sichtbare Welt eine unsichtbare Tiefendimension besitzt und daß jeder einzelne Mensch, auch und gerade das kleine Kind, vor Gott einen unendlichen Wert besitzt. Die Engel sind uns Helfer und Bürgen dafür, daß unsere Hoffnung und Sehnsucht nicht ins Leere gehen, daß uns der Himmel offensteht.
In ganz anderer Weise kommt die Höhen- und Tiefendimension der Wirklichkeit in der biblischen und kirchlichen Überzeugung von der Existenz der bösen Geister, der Dämonen, des Satans bzw. des Teufels zur Geltung. Es gibt nicht nur Hüter und Wächter der menschlichen Hoffnung, sondern auch Neider, Feinde und Verführer, die die Sehnsucht und Hoffnung des Menschen verwirren, gewaltsam niederhalten oder ins Maßlose, ins Dämonische hinein übersteigern; es gibt den Teufel, den Vater der Lüge (vgl. Joh 8,44). Er ist der Versucher, der uns den Himmel vergällen und verstellen will.
Die Verstehensschwierigkeiten und Mißverständnisse sind hier eher noch größer als bei den Engeln. Sicherlich ist die Sprache der Heiligen Schrift wie der kirchlichen Glaubensüberlieferung gerade hier zeit- und weltbildbedingt. Auf der anderen Seite ist die Existenz des Üblen, des Bösen, Destruktiven, Perversen, Monströsen, Absurden und nicht zuletzt des Diabolischen eine menschliche Erfahrungswirklichkeit wie der Eindruck, daß dieses Böse nicht nur Ausdruck und Folge menschlicher Freiheit ist, sondern eine kosmische Dimension besitzt. Der Horizont, biblisch gesprochen: der Himmel, in den hinein die menschliche Freiheit sich vollzieht, ist vorgängig zu unseren Entscheidungen verengt, verfinstert, verwirrt. Das Paradies ist uns wie durch Cherubim und mit loderndem Flammenschwert versperrt (vgl. Gen 3,24).
Das biblische Zeugnis deutet diese Situation in mythischer Bildersprache, will damit aber eine Realität bezeichnen, die rein begrifflich kaum zu fassen ist. Die bildhaften Aussagen vom zusammengestürzten Himmel, vom Engelsturz (vgl. 2 Petr 2,4; Jud 6), von den bösen Geistern in den Lüften, im Bereich zwischen Himmel und Erde (vgl. Eph 2,2; 3,10; 6,12) treffen die Situation des Menschen sehr genau. Sie deuten an, daß wir nicht nur gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen haben (vgl. Eph 6,12). Die bösen "Mächte und Gewalten" (vgl. Eph 1,21; Kol 2,15 u. a.) repräsentieren den Aufstand und Widerstand der Welt gegen Gott und seine Ordnung und damit zugleich das menschenfeindliche Wesen vieler Wirklichkeitsbereiche. Sie verderben Gottes gute Schöpfung und suchen dem Menschen auch im Bereich des Leiblichen zu schaden, bis dahin, daß sie von seinen körperlichen und seelischen Kräften Besitz ergreifen und den Menschen zutiefst von sich selbst entfremden können (Besessenheit). Als Herrscher dieser Welt (vgl. Joh 12,31; 14,30) und als Gott dieser Weltzeit (vgl. 2 Kor 4,4) vereiteln sie die Hoffnung und die Sehnsucht des Menschen, oder sie übersteigern diese ins Maßlose wie die Paradiesesschlange: "Ihr werdet wie Gott" (Gen 3,5). So ist der Teufel der Vater der Lüge (vgl. Joh 8,44). Er deutet die Wahrheit über den Menschen um; er vernebelt
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