Band I - Erster Teil Gott der Vater
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die an sich klare Unterscheidung zwischen Ja und Nein und verwirrt die von Gott gegebene Ordnung der Welt. Damit wird er für den Menschen zum Versucher, der freilich nur dann, wenn der Mensch ihm zustimmt, Macht über ihn gewinnen kann.

Macht und Ohnmacht der bösen Geister werden in der Bibel vor allem im Zusammenhang des Auftretens Jesu deutlich. Besonders das Markusevangelium beschreibt das ganze Leben und Wirken Jesu als Kampf mit dem Satan (vgl. Mk 1,23-28.32-34.39; 3,22-30 u. a.). Mit Jesus aber kommt der Stärkere, der den Starken besiegt. In ihm bricht die Herrschaft Gottes an, weil er in der Macht Gottes die Dämonen austreibt (vgl. Mt 12,28; Lk 11,18; 10,18). Weil Jesus Christus die bösen Mächte und Gewalten endgültig besiegt hat (vgl. Eph 1,21; Kol 2,15; Offb 12,7-12), ist Dämonenangst unchristlich. Vielmehr gilt: "Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens!" (1 Petr 5,8-9).

Die kirchliche Lehre liegt auf der Linie des Schriftzeugnisses. Denn soll das den Menschen unfrei machende Böse nicht von einem bösen, von Gott unabhängigen Urprinzip stammen, was dem christlichen Glauben an Gott, den allmächtigen Vater, zutiefst widerspräche, dann kann es nur auf Geschöpfe zurückgehen, die von Gott gut geschaffen, aber - wie das IV. Laterankonzil (1215) sagt - durch eigene Entscheidung böse geworden sind (vgl. DS 800; NR 295). Nach kirchlicher Lehre gibt es also nicht nur das Böse, sondern auch den Bösen bzw. die Bösen. Damit wird die katholische Lehre einerseits der menschlichen Erfahrung von der Abgründigkeit der Welt wie dem biblischen Zeugnis gerecht, andererseits kann sie damit die Bedeutung und den Einfluß der bösen Geister begrenzen: Sie sind trotz allem nur endliche, von Gott geschaffene und insofern bleibend von ihm abhängige Größen. Ihre unselige Herrschaft ist durch Jesus Christus gebrochen und wird durch das Wirken des Heiligen Geistes immer mehr überwunden. Die Hoffnung behält das letzte Wort.

Mit "Himmel und Erde" ist der Daseinsraum des Menschen abgesteckt und der Raum eröffnet, in dem sich die Geschichte Gottes mit dem Menschen abspielt. Alle Aussagen über die materielle Welt wie über die geistige Welt der Engel und Dämonen sind deshalb Rand- und Rahmenaussagen für dieses Zentrum der Glaubensverkündigung. Wir dürfen diese Aussagen darum nicht zum Zentrum oder zu einem um seiner selbst willen wichtigen Gegenstand der Verkündigung und des Glaubens machen. Umgekehrt dürfen wir die kosmische Dimension, die sich in ihnen ausspricht, nicht zugunsten einer anthropologischen Engführung übersehen. In der biblischen und kirchlichen Rede von den Engeln wie von den Dämonen geht es um die universal-kosmologische Dimension der Geschichte Gottes mit den Menschen. Sie erst gibt dieser Geschichte ihre Dramatik und ihre universale Dimension.
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