4. Die Weisung des kirchlichen Lehramtes als Maßstab christlichen Handelns
Kann das Lehramt - und können die von ihm verkündeten Weisungen - Maßstab und Norm des religiös-sittlichen Handelns sein? Es geht hier um die Frage nach der Vollmacht des Lehramtes, "die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben" zu verkündigen und sie "im Licht des Heiligen Geistes" zu erklären (LG 25), sowie um die Art und Weise der Zustimmung der Gläubigen zu lehramtlichen Aussagen.
Die Einstellung der Menschen zum kirchlichen Lehramt ist heute sehr unterschiedlich. Nicht wenige vertrauen dem Lehramt und können seinen Aussagen zustimmen. Andere dagegen stehen ihm selbst oder einigen der von ihm vorgetragenen Lehren kritisch, in manchen Fällen auch ablehnend gegenüber. Zuweilen drückt sich diese Ablehnung in der Auffassung aus, daß das, was das Lehramt sage, grundsätzlich nicht Norm und Maßstab für das religiöse und sittliche Verhalten sein könne, vielmehr sei einzige Norm des Verhaltens der Grad der jeweils gewonnenen persönlichen Einsicht.
Die Spannung zwischen dem Anspruch der kirchlichen Autorität, in Sachen des Glaubens und der Sittlichkeit verbindliche Aussagen zu machen, und dem Anspruch von Christen, über ihr Leben aus dem Glauben nach eigenem, verantwortlich gefällten Gewissensurteil zu entscheiden, verursacht gegenwärtig in Kirche und Öffentlichkeit Unruhe und Unsicherheit. Welche Autorität kommt dem Lehramt der Kirche zu?
4.1. Die Autorität des Lehramtes in Glaubensfragen
Die kirchliche Autorität leitet sich vom Apostelamt her. Diesem liegt, wie schon am Namen erkennbar ist, eine Sendung zugrunde. Die Apostel und ihre Nachfolger üben ihre Autorität nicht in eigenem Namen aus. Ihre Autorität ist vielmehr die Autorität von Gesandten, die im Namen des Sendenden eine Botschaft zu überbringen haben. Der eigentliche Autoritätsträger in der Kirche ist und bleibt Jesus Christus. Durch seinen Geist ist er in seiner Kirche gegenwärtig.