Band I - Erster Teil Gott der Vater
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des Menschen, dessen Geheimnis man nicht kurzschlüssig in eine einzige Antwort einfangen kann. Doch noch bedenklicher als solche einseitigen Auffassungen ist die Tatsache, daß heute viele Menschen die Frage nach dem Sinn ihres Menschseins gar nicht mehr stellen, daß sie sich selbst davon laufen und verlieren. Darin besteht vielleicht die tiefste Krise des gegenwärtigen Menschen. Denn der Mensch ist vor allen anderen Lebewesen dasjenige, das nach sich selbst fragen kann und das sich in dieser Frage einem ihm selbst unauflösbaren Geheimnis begegnet. Alle noch so reichen und tiefen Antworten auf die Frage nach dem Geheimnis des Menschen bleiben bruchstückhaft, wenn sie den Menschen nicht von diesem seinem letzten Grund und Ziel her verstehen.

3.2 Geschöpflichkeit des Menschen

Die fundamentale Antwort der Bibel auf die Frage "Was ist der Mensch?" lautet: Der Mensch ist Geschöpf Gottes; er verdankt sein Dasein und Sosein Gott. Er ist von Gott in seinem Dasein gewollt und gehalten; er ist, weil Gott ihn beim Namen gerufen hat: Ich will, daß du bist. Der Grundakt seinesDaseins ist darum Dank und Vertrauen.
"Ich danke dir,
daß du mich so wunderbar gestaltet hast.
Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke.
Als ich geformt wurde im Dunkeln,
kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde,
waren meine Glieder dir nicht verborgen.
Deine Augen sahen, wie ich entstand,
in deinem Buch war schon alles verzeichnet;
meine Tage waren schon gebildet,
als noch keiner von ihnen da war.
Wie schwierig sind für mich, o Gott, deine Gedanken,
wie gewaltig ist ihre Zahl!
Wollte ich sie zählen, es wären mehr als der Sand.
Käme ich bis zum Ende,
wäre ich noch immer bei dir." (Ps 139,14-18)
Lassen sich solche Aussagen von der unmittelbaren Schöpfung des Menschen durch Gott halten angesichts der modernen Evolutionstheorie? Im Prinzip ist auf diese Frage dieselbe
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