Band I - Erster Teil Gott der Vater
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(vgl. Gen 2,7). Der erste und jüngere Schöpfungsbericht betrachtet die Erschaffung des Menschen als den Höhepunkt der Schöpfung. Er leitet sie mit besonderer Feierlichkeit ein und nennt dann das Auszeichnende des Menschen gegenüber der übrigen Wirklichkeit seine Gottebenbildlichkeit.
"Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." (Gen 1,26-27)
Worin besteht diese Gottebenbildlichkeit? Vielerlei Antworten werden gegeben: Der Mensch unterscheidet sich durch seinen aufrechten Gang, Zeichen seiner Erhabenheit, von den übrigen Lebewesen. - Der Mensch ist eingesetzt zum Herrn der Erde und der übrigen Lebewesen; sie sind ihm zum Nutzen und zur Pflege übergeben; er ist berufen, die Herrschaft Gottes als "Statthalter Gottes" in der Welt zu repräsentieren. - Der Mensch unterscheidet sich durch seine Geistseele, er ist mit Verstand und freiem Willen begabt (vgl. Weish 2,23). Alle diese Deutungen enthalten etwas Richtiges. Das Entscheidende ist freilich: Die Sonderstellung des Menschen ergibt sich für die Bibel nicht aus dem Vergleich mit dem Unten, den Tieren, sondern mit dem Oben, aus dem Vergleich mit Gott. Von allen Lebewesen ist der Mensch das einzige Wesen, das Gott entspricht, das Gott hören und antworten kann. Der Mensch ist geschaffen als Partner Gottes, berufen zur Gemeinschaft mit Gott. Erst in der Hinwendung zu Gott und in der Anerkennung der Herrschaft Gottes ist er ein wirklich menschlicher Mensch. Der Sinn und die Erfüllung seines Daseins ist die Verherrlichung Gottes, mit der er der stummen Kreatur Stimme verleihen soll. Diese Deutung kommt in den Psalmen in herrlicher Weise zum Ausdruck:
"Herr, unser Herrscher,wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde; über den Himmel breitest du deine Hoheit aus... Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott,
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