die Kirche selbst mitsamt ihrem Lehramt immer auch eine suchende (vgl. GS 16). Das hängt auch damit zusammen, daß die Lebenszusammenhänge, in denen der einzelne steht, vielfach verflochten sind. In diesen Fällen könnte die Befolgung einfacher Verhaltensregeln unter dem einen Gesichtspunkt ratsam erscheinen, unter einem anderen Gesichtspunkt jedoch ernsthafte moralische Probleme ungelöst lassen oder schwer zu ertragende Härten mit sich bringen. Auch die wären vom einzelnen jeweils im Gewissen mit zu verantworten. Wenn die Kirche dennoch solche nicht-definitiven Aussagen macht, so gebührt ihnen nicht eine Glaubenszustimmung, sondern eine religiöse Zustimmung des Willens und Verstandes. Diese besteht darin, daß der Glaubende bei entsprechenden Lehraussagen das Lehramt selbst anerkennt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtig anhängt, und zwar entsprechend der vom Lehramt kundgetanen Auffassung und Absicht (vgl. LG 25). Diese wiederum läßt sich an der Art der Dokumente, an dem Nachdruck, mit welchem eine Äußerung als Lehre vorgetragen wird, und an der Ausdrucksweise erkennen.
Eine solche religiöse Zustimmung des Willens und Verstandes schließt ein kritisches Weiterdenken und Mitdenken mit der Kirche ausdrücklich ein. In der Bemühung um die sittliche Wahrheit und um die Begründung konkreter Normen ist die Kirche nicht immer frei von Irrtum und Mängeln gewesen. Es wäre jedoch falsch, daraus den Schluß zu ziehen, das Lehramt würde sich bei seinen Aussagen gewöhnlich täuschen. Deshalb dürfen Urteile über sittliche Fragen, die in den Kompetenzbereich des Lehramtes fallen, bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung für sich beanspruchen, daß sie zutreffen. Dennoch können Christen trotz aufrichtiger Bemühung, bestimmte Lehraussagen anzunehmen, ernsthafte Schwierigkeiten haben, ihre Zweifel auszuräumen.
"Wer glaubt, der privaten Meinung sein zu dürfen, die bessere künftige Einsicht der Kirche schon jetzt zu haben, der muß sich vor Gott und seinem Gewissen in nüchtern selbstkritischer Einschätzung fragen, ob er die nötige Weite und Tiefe theologischer Fachkenntnis habe, um in seiner privaten Theorie und Praxis von der augenblicklichen Lehre des kirchlichen Amtes abweichen zu dürfen. Ein solcher Fall ist grundsätzlich denkbar. Aber subjektive Überheblichkeit und voreilige Besserwisserei werden sich vor Gottes Gericht zu verantworten haben" (Schreiben
|