seines Herrn mißbrauchen würde. Darin läge zugleich auch eine Schuld vor Gott: "Er (dein Mann) ist in diesem Hause nicht größer als ich, und er hat mir nichts vorenthalten als nur dich, denn du bist seine Frau. Wie könnte ich da ein so großes Unrecht begehen und gegen Gott sündigen?" (Gen 39,9).
Was mit Gewissen gemeint ist, bezeichnet das Alte Testament vorzugsweise mit dem Wort "Herz". Das Herz ist die Mitte des Menschen. Aus ihm gehen neben der Vernunfterkenntnis auch die Entschlüsse hervor. Die bösen und die guten Gedanken wohnen im Herzen. Hier spricht der Mensch zu sich selbst; hier steht er sich selbst gegenüber und urteilt über sein Wollen und Tun. Der Gebrauch des Wortes "Herz" für Gewissen macht deutlich, daß im Gewissen auch erfahren wird, welche Werte sittlich verbindlich sind. Sie wirken nur, wenn sie ganzheitlich in unserem Inneren verankert sind. Darum ist es wichtig, daß sie verinnerlicht werden. Auch davon weiß der alttestamentliche Glaube:
"Der Mund des Gerechten bewegt Worte der Weisheit, und seine Zunge redet, was recht ist. Er hat die Weisung seines Gottes in seinem Herzen, seine Schritte wanken nicht" (Ps 37,30f).
Das Herz des Menschen läßt sich von der Weisung Gottes formen, wenn er sein Wort im Inneren wirken läßt. So wird Gottes Anrede zum innersten Eigentum des Menschen und zur wirksamen Richtschnur für sein Leben (vgl. Sir 37,13f).
Aus allen diesen Aussagen des Alten Testamentes zum Gewissen ergeben sich folgende Gesichtspunkte:
In der Gewissenserfahrung begegnet der unbedingte Anspruch des Sittlichen. Das zeigt sich in den Gewissensregungen vor oder nach der Tat. Die Gewissenserfahrung macht die individuelle Verantwortung des Menschen vor den prüfenden und erbarmenden "Augen Gottes" deutlich. Die mitmenschliche und religiöse Seite der sittlichen Erfahrung wird durch die Gottesbegegnung, die sich in ihr vollzieht, geläutert. Das "Herz" des Menschen als Ort der sittlichen Erfahrung ist offen für die Formung durch Wertmaßstäbe. Das glaubend-liebende