Band I - Erster Teil Gott der Vater
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abgewertet und unterdrückt, statt daß man sie kultivierte. Innerhalb des ursprünglichen christlichen Menschenbildes ist für solche Leibesverachtung kein Platz. Wahre Seelsorge muß deshalb auch Leibsorge und konkrete Lebenshilfe sein. Sie darf sich nicht nur des Wortes, abstrakter Begriffe und moralischer Prinzipien bedienen, sondern muß Bilder, Symbolik, Lieder in ihren Dienst nehmen, um so den ganzen Menschen anzusprechen und ins Heilsgeschehen einzubeziehen.

Die Einheit von Geist und Leib zeigt sich vor allem in der Sprache, durch die wir unsere Gedanken, Absichten und unser Innerstes ausdrücken und anderen Menschen mitteilen. Die Wahrheit ist deshalb eine Wesensdimension des Menschen. In der Lüge dagegen werden die innere Einheit des Menschen und die Grundlagen eines vertrauensvollen Zusammenlebens in der menschlichen Gemeinschaft zerstört. Auch im 8. Gebot: "Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen" (Ex 20,16; vgl. Dtn 5,20) geht es also um Wesen und Würde des Menschen wie um das Zusammenleben der Menschen untereinander.

Bei seinem Bemühen um Integration stößt der Mensch freilich auch an die Grenzen seiner Freiheit. Sie ist begrenzt durch die Natur, die Freiheit des anderen, die eigene Lebensgeschichte, das gesellschaftliche Milieu. Sie verhalten sich oft widerspenstig gegenüber unserem noch so guten Willen. Wir haben unsere Freiheit nicht einfach, sie ist in vielfältiger Weise gefangen und muß erst freigemacht werden. Freiheit ist letztlich ein Geschenk. In dieser Situation werden wir erneut auf Jesus Christus verwiesen. "Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei" (Joh 8,36). Das führt uns weiter zum nächsten Kapitel.

3.5 Die gnadenhafte Berufung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott

Wir Menschen sind merkwürdige Wesen: durch unseren Leib ganz hineingebunden in die Bedingungen und Begrenzungen dieser Welt und doch zugleich voller Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen, die durch nichts und durch niemand in der Welt erfüllt werden können. Der Mensch ist das Wesen einer unendlichen Hoffnung. Das Herz des Menschen ist so groß und so weit, daß Gott allein groß genug ist, um es auszufüllen.
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