zu verstehen, sondern als Selbstbestimmung, die im Menschsein selbst ihre verbindliche Richtschnur hat. Die Erfahrung dieser Forderung, für sein Menschsein verantwortlich zu sein, geschieht in der Gewissensanlage.
Zweitens: Menschen, die das Gesetz nicht kennen, aber tun, was im Gesetz gefordert ist, zeigen damit an, daß ihnen das Gesetz ins Herz geschrieben ist.
Hier begegnet uns "Herz" - wie im Alten Testament - wiederum im Sinne von Mitte der menschlichen Existenz, die der Sitz von Erkenntnis, Gefühl und Entscheidung ist. Der Begriff "ins Herz geschrieben" weist indirekt darauf hin, daß Gott dem Menschen die Fähigkeit eingepflanzt hat, spontan Gutes und Böses zu unterscheiden. Im Herzen wird offenbar, was Gott vom Handeln des Menschen erwartet. Es sollen die Werte verwirklicht werden, die das Gewissen erkennt und die die emotionale Mitte eines Menschen prägen. In diesem Sinn sprechen wir von einem geformten Wertgewissen.
Drittens: In konkreten Situationen regt sich das Gewissen in unterschiedlicher Weise. Der "ins Herz geschriebene" sittliche Anspruch wird hier konkret laut. Das Gewissen gibt seine Forderung kund, indem es anklagt oder verteidigt. Das ist wie ein ständiges Gerichtsverfahren, in dem das Gewissen in einer bestimmten Situation ein Urteil fällt. Es bewertet ein konkretes Wollen oder ein bestimmtes Verhalten im Licht jenes Gesetzes, das "ins Herz geschrieben" ist. Wir sprechen hier von einem Situationsgewissen.
Viertens: Die endgültige Offenbarung dessen, was der Mensch in seinem Gewissen erkannt und entschieden hat, geschieht erst im Gericht durch Jesus Christus. Von dieser Ausrichtung her bekommt jede Entscheidung für oder gegen den Spruch des Gewissens ihre letzte und tiefste Bedeutung: Es geht in der Wahrnehmung und Erfüllung des ethischen Anspruchs um das Heil des Menschen.
In diesen Aussagen über das Gewissen sind folgende Elemente enthalten: Das Gewissen gehört zum Menschsein; alle Menschen können darin Gut und Böse erkennen.
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