die allzu einfachen Antworten, die seine Freunde ihm auf das Problem des ungerechten Leidens geben. Ihm geht Gott als der je größere und als der ganz andere auf, dessen Wege dem Menschen unergründlich sind und dessen Weisheit unerforschlich ist (vgl. Ijob 40,2-4; 42,2-4).
Dennoch haben sich die Menschen immer wieder bemüht, Einsicht zu gewinnen in das Auf und Ab der Geschichte. Zwei Grundmodelle der Geschichtsdeutung wurden entwickelt. Das erste Modell: die Geschichte als ein großer Kreislauf. Am Anfang steht die gute alte Zeit, das goldene Zeitalter; ihm folgen das silberne, das bronzene und das eiserne Zeitalter. Die Geschichte ist also ein großer Verfallsprozeß, aber am äußersten Tiefpunkt ereignet sich ein Umschlag. Am Ende kehrt der Anfang zurück; der Kreis hat sich geschlossen. Das zweite Modell sieht die Geschichte als eine aufsteigende Linie, als Fortschrittsgeschichte auf dem Weg zum Besseren und Höheren. Die Geschichte ist nicht die ewige Wiederkehr des Gleichen wie im Kreislaufmodell, sondern das Kommen des Neuen und einer bisher nicht dagewesenen Zukunft. Ansätze zu dieser Sicht finden sich in der Zukunftshoffnung der alttestamentlichen Propheten. In säkularisierter Gestalt begegnet uns diese Sicht im modernen Fortschrittsglauben und in der marxistischen Utopie von einem künftigen Reich der Freiheit in einer klassenlosen, herrschaftsfreien Gesellschaft.
Man wird fragen, ob diese beiden Geschichtsdeutungen der Leidenserfahrung der Menschheit wirklich gerecht werden. Denn, läßt sich das Leiden des Menschen in irgendein allgemeines Schema verrechnen? Wird man mit solchen Deutungen dem Leiden des je einzelnen gerecht?
Ihrem Grundanliegen gemäß will uns die Heilige Schrift keine innerweltliche Geschichtsdeutung geben. Die Bibel sagt uns zwar: Alles kommt von Gott, und alles kehrt zu ihm zurück. Aber der Geschichtsverlauf selbst läßt sich in kein Schema pressen, weder in ein Verfallsschema noch in ein Fortschrittsschema. Die Geschichte ist, wie Augustinus in seinem "Gottesstaat" gezeigt hat, ein ständiger Kampf zwischen zwei Reichen: dem Reich Gottes und dem Reich des Bösen (des Satans). Sie unterscheiden sich durch zweierlei Liebe: Gottesliebe und Selbstliebe. Meist ist beides miteinander vermischt. Deshalb darf man einzelne geschichtliche Ereignisse nicht vorschnell
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