Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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"Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten" (ebd.).
Zweifach fordert das Gewissen also den Menschen: Er soll ja sagen zum sittlichen Anspruch des Gewissens, und er soll von daher sich bemühen, redlich nach dem zu suchen, was in einer konkreten Situation zu tun ist.

In seiner Verpflichtung, sich zu dem zu entscheiden, was er hier und jetzt als persönlich verbindlich erkannt hat, kann der Mensch nicht irren. "Es ist die Verpflichtung, das zu tun, was der Mensch durch einen Gewissensakt als ein Gutes erkennt, das ihm hier und jetzt aufgegeben ist" (VS 59). Einen Irrtum kann es allerdings darüber geben, ob das, was einer als hier und jetzt verpflichtend erkannt hat, der Gesamtwirklichkeit entspricht. Da das Gewissen in der konkreten Situation oft nicht in der Lage ist, sein Urteil immer neu zu überprüfen, ist es richtig, dem jeweiligen Gewissensspruch zu folgen, selbst wenn in der Erkenntnis ein Irrtum vorliegt. Auch der im Gewissen Irrende steht vor Gott. Mehr als das redliche Suchen nach Wahrheit und Einsicht und mehr als ein gewissenhaftes Urteil über das, was hier und jetzt als persönlich verbindlich eingesehen wird, kann nicht erreicht werden. Daher behält auch das unüberwindbar irrende Gewissen seine Würde:
"Nicht selten jedoch geschieht es, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert. Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird" (ebd.).
Der eigentliche Grund dafür, daß auch das unüberwindbar irrende Gewissen seine Würde nicht verliert, ist darin zu sehen, daß es, "auch wenn es uns tatsächlich in einer von der objektiven sittlichen Ordnung abweichenden Weise anleitet, dennoch nicht aufhört, im Namen jener Wahrheit vom Guten zu reden, zu deren aufrichtiger Suche der Mensch aufgerufen ist" (VS 62).

Die Lehre der Kirche über das Gewissen ermutigt zum Leben nach dem Gewissen. Im Gewissen steht der Mensch vor Gott.
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