Band I - Erster Teil Gott der Vater
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sündigten ... Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist... Sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden ... Ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus..." (Röm 5,12.14.15.17)
Dieser Text geht über die Aussagen des Alten Testaments hinaus. Erst durch Jesus Christus wird uns nämlich die Universalität und Radikalität der Sünde erschlossen; erst er deckt uns unsere wahre Situation im Heil wie im Unheil auf. So wird jetzt ausdrücklich die Universalität der Sündenmacht, welche über die Menschheit als Todesmacht herrscht, festgestellt. Doch die Erkenntnis der Universalität der Sünde ist nur die negative Formulierung der Universalität des Heils in Jesus Christus. Weil wir wissen, daß uns in Jesus Christus das Heil für alle gegeben ist, können wir erkennen, daß außerhalb von Jesus Christus Unheil ist. Die Aussage von der Sünde hat also keine eigenständige Bedeutung. Sie veranschaulicht die Universalität und die Überschwenglichkeit des Heils, das Jesus Christus gebracht hat. Die heillose und hoffnungslose Situation der Menschheit ist umgriffen von der größeren Hoffnung und der Gewißheit, daß uns in Jesus Christus überreiches Heil geschenkt ist. Ja, das Heil in Christus überbietet die ursprüngliche Berufung und Gnade. Deshalb kann die Liturgie der Osternacht sogar von einer "felix culpa", einer glückseligen Schuld sprechen.

Die dogmatische Lehre von der Ur- und Erbsünde wurde im 5. Jahrhundert geklärt. Dies geschah in der Auseinandersetzung des hl. Augustinus mit dem Pelagianismus, der behauptet hatte, jede Sünde sei nur eine einzelne, in freier Entscheidung begangene Tat und wirke nur durch schlechtes Beispiel und dessen Nachahmung. Grundsätzlich sei der Mensch frei, sich für die Sünde oder für Gott zu entscheiden. Damit war auch die Notwendigkeit der Gnade in Frage gestellt. Gegen diese Lehre richtete sich der hl. Augustinus, der "Lehrer der Gnade". In seinem Sinn entschieden verschiedene Synoden, zusammenfassend die zweite Synode von Orange (529) (vgl. DS 371-372; NR 350-351).
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