Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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von Glaube und Liebe geprägte Gewissen läßt sich von der Grundentscheidung zum Guten leiten und bewertet das eigene Wollen und Tun im Licht dieser Entscheidung. Voraussetzung für die kluge Urteilsfindung in der konkreten Situation ist nicht nur das Wissen um verpflichtende Weisungen, sondern auch die Einsicht in die Werte, die in der Weisung enthalten sind, und ein gewisses Maß an Sachwissen und Erfahrung. Alle diese Momente zusammengenommen ermöglichen es dem Menschen, in kluger Abwägung ein Urteil darüber zu fällen, was in der konkreten Situation im Gewissen verpflichtend ist. Das kluge Gewissen urteilt nicht allein mit dem Verstand, sondern vor allem mit dem "Herzen", mit der ganzen Person.

4.2. Wege zur Gewissenserziehung und Gewissensbildung

In den Wissenschaften, die sich mit Gewissenserziehung und Gewissensbildung befassen, besteht heute Einigkeit darüber, daß das Gewissen sich weder allein aus sich selbst heraus entwickelt, noch daß es allein durch äußere Beeinflussung gebildet und geformt wird. Entwicklung und Erziehung des Gewissens geschehen durch Innen- wie durch Außensteuerung. Beide Momente sind aufeinander bezogen und ergänzen einander. Jeder einzelne bildet und formt sein Gewissen, aber das Gewissen bedarf auch der Weckung und Orientierung durch andere, durch Werte und durch Normen. Darum ist antiautoritäre Erziehung ein Irrweg. Wenn der Mensch zu mündiger Gewissensverantwortung kommen soll, dürfen die Erzieher nicht nur, sie müssen erziehen.

Gewissenserziehung und Gewissensbildung müssen den Entwicklungsphasen des Gewissens (vgl. S. 132f) entsprechen. Folgende Erziehungsgrundsätze ergeben sich:
  • Gewissenserziehung muß im frühkindlichen Alter beginnen. Sie besteht zunächst in der Annahme des Kindes; in ihr wird jenes Urvertrauen vermittelt, das jeder gesunden Gewissensentwicklung zugrunde liegen muß.
  • Gewissenserziehung im Kindesalter muß so beschaffen sein, daß das Kind in einem allmählichen Prozeß das Gespür für gut und böse, richtig und falsch entwickeln kann. Das geschieht am besten dadurch, daß es Freude am Guten gewinnt. So wird es zur Einsicht in Wert und Bedeutung von sittlichen
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