Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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Ansprüchen geführt und zu Selbstbesinnung und Selbstbindung angeregt. Hier ist der Beitrag der Eltern von entscheidender Bedeutung; die Art ihres Wertens und Handelns überträgt sich auf das Kind. Das gemeinsame Gebet und die Gewissenserforschung mit dem Kind sind dabei eine wichtige Hilfe.
  • Gewissenserziehung im Jugendalter muß Erziehung zur Übernahme von Eigenverantwortung sein. Der Jugendliche darf weder zu sehr eingeengt noch bei Fehlverhalten alleingelassen werden. Forderungen müssen sein, dürfen aber nicht überfordern; sie müssen einsehbar sein und beim Jugendlichen zur Überzeugung führen können, daß es sinnvoll ist, sie sich zu eigen zu machen und nach ihnen zu leben.
  • Gewissenserziehung muß dazu befähigen, daß ein Mensch lebenslang sein Gewissen bildet. Darum muß Gewissenserziehung auch Lehre, Unterricht und Argumentation über Werte, Normen und Gebote enthalten, aber sie darf nicht nur Wissensvermittlung sein, denn das Gewissen betrifft nicht nur den Intellekt; Gewissenserziehung muß auch Appelle und Impulse an Willen und Gefühl enthalten. Sie darf aber nicht nur emotionale Anregung sein, denn das Gewissen gehört nicht nur dem willentlichen und emotionalen Bereich an. Gewissenserziehung muß die ganze Person umfassen, denn das Gewissen betrifft die "Mitte der Person" und reicht bis in die Tiefe ihrer Existenz.
  • Gewissenserziehung muß in die Glaubenserziehung eingebettet sein, denn in ihr wird die Erfahrung von Geborgenheit zur Geborgenheit in Gott, die Erfahrung des sittlichen Anspruchs zur freien Bindung an das Gute, die Erfahrung von Geboten zur Erfahrung des Anrufes Gottes an die Freiheit des Menschen.

    Gewissenserziehung, Gewissensbildung und Leben nach dem Gewissen sind in der säkularisierten pluralistischen Gesellschaft der Gegenwart sicher schwieriger geworden, aber sie haben heute auch große Chancen. Entscheidende Voraussetzung für die Gewissenserziehung bei Kindern und die Gewissensbildung von Jugendlichen ist das mündige Gewissen der Erwachsenen. Nur wer sich im und vom eigenen Gewissen betroffen weiß und beständig zu Einkehr und Umkehr bereit ist, kann das Betroffensein des Menschen im Gewissen vermitteln. Was nottut, ist die regelmäßige Gewissenserforschung, in der sich das Gewissen dem Versagen wie dem Anspruch zum Gutsein in der
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