Band I - Erster Teil Gott der Vater
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Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellt sich für jeden Menschen anders. Sie kann auftauchen als Frage nach dem Glück. Wir erfahren Glück auf unterschiedlichste Weise: wenn uns unsere Arbeit gelingt, wenn wir Erfolg haben, im Zusammensein mit einem geliebten Menschen, in der guten Tat und im Einsatz für andere, in Sport und Spiel, Kunst und Wissenschaft. Wir wissen, daß wir das Glück nicht machen können. Es kann sehr schnell wieder verfliegen. Herbe Enttäuschungen können sich einstellen. Was dann? Welchen Sinn hat dann das Leben? Was ist überhaupt echtes menschliches Glück? Noch intensiver stellt sich die Frage nach dem Sinn des Daseins in der Erfahrung von Leid, sei es eigenes oder fremdes Leid: unheilbare Krankheit, Kummer, Einsamkeit, Not. Welchen Sinn hat es, daß so viele Menschen unverschuldet leiden? Warum ist so viel Hunger, Elend, Ungerechtigkeit in der Welt? Warum so viel Haß, Neid, Lüge und Gewalt? Schließlich die Erfahrung des Todes, etwa wenn ein Freund, ein Bekannter oder Verwandter auf einmal nicht mehr unter uns ist oder wenn wir mit dem Gedanken an den eigenen Tod konfrontiert werden. Was ist nach dem Tod? Woher komme ich, wohin gehe ich? Was bleibt von dem, wofür ich mich eingesetzt habe?

Unsere Antworten auf diese Fragen gehen nie ganz auf. Der Mensch bleibt sich letztlich eine Frage und ein tiefes Geheimnis. Das ist seine Größe und sein Elend. Seine Größe, weil die Frage nach sich selbst den Menschen von den toten Dingen unterscheidet, die einfach vorhanden sind, wie auch von den Tieren, die durch ihre Instinkte fest in ihre Umwelt eingepaßt sind. Es macht die Würde des Menschen aus, daß er sich seiner selbst bewußt und daß er frei ist, seinem Leben selbst eine Richtung zu geben. Diese Größe ist zugleich die Last des Menschseins. Dem Menschen ist sein Leben nicht nur gegeben, sondern auch aufgegeben; er muß es selbst gestalten, selbst in die Hand nehmen. Dem Sein des Menschen ist der Sinn seines Seins nicht unmittelbar mitgegeben. Das Menschsein ist deshalb ein Gang ins Offene und ins Unabsehbare hinein. ?

Wir können die Frage nach dem Sinn verdrängen, vor ihr davonlaufen oder sie als unbeantwortbar abtun. Dazu gibt es viele Möglichkeiten: Flucht in die Arbeit, in den Betrieb, in den Konsum, in die Sexualität, ins Vergnügen, in den Alkohol und
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