jeweiligen Situation stellt und zu verantwortlicher Lebensgestaltung bereit ist. In jeder neuen Entscheidung wird das Gewissen geformt. Für den Glaubenden ist jede Gewissensentscheidung zugleich eine Glaubensentscheidung. Das Wort des Apostels Paulus "Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde" (Röm 14,23), weist darauf hin, daß Glaube und Gewissen zusammengehören. Der Glaubende soll seine Überzeugung des Glaubens im gewissenhaften Handeln realisieren. In solchem Handeln wird er mit sich selbst identisch, wenn es "aus ganzem Herzen" geschieht.
Wer bereit ist, diesen Weg des Gewissens zu gehen, wird bewußt auch zu seinen eigenen Grenzen stehen können und stets nach besseren Wegen seiner Gewissensverantwortung suchen: in Gebet und Meditation, im Gespräch mit Mitmenschen, im geistlichen Gespräch und im Bußsakrament, im Mitdenken und Mithandeln in der Gemeinde, in Kirche und Gesellschaft.
5. Gewissensfreiheit
Die Rede von der Gewissensfreiheit hat es nicht immer gegeben. Bittere Erfahrungen der Geschichte haben zur Forderung nach Gewissens- und Religionsfreiheit geführt. In den nach der Reformationszeit geführten Kriegen hatte es sich als unmöglich erwiesen - ja geradezu als tödliche Bedrohung für das Zusammenleben der Menschen -, Meinungsunterschiede in religiösen und sittlichen Fragen durch Gewalt aufheben zu wollen. Im Zeitalter des Absolutismus hatten die Fürsten noch einmal die Vollmacht erhalten, den Glauben ihrer Bürger zu bestimmen (Cuius regio eius religio). Das konnte aber den Gang der Geschichte nicht aufhalten. Im Zusammenhang mit der geistesgeschichtlichen Bewegung der Aufklärung, mit einer neuen Wertung der Vernunft und der Freiheit des Menschen kam es zur Formulierung von Menschenrechten, die den einzelnen vor unangemessenen Übergriffen des Staates schützen sollten. Der für die Würde des Menschen zentrale Bereich des Gewissens wurde durch die Forderung der Gewissensfreiheit geschützt.
Da die Forderung nach Gewährleistung der Menschenrechte, insbesondere der Gewissensfreiheit und der Religionsfreiheit, anfänglich auch unter antikirchlichen Vorzeichen erhoben wurde, haben mehrere Päpste des 19. Jahrhunderts den Gedanken der Gewissensfreiheit verworfen (Gregor XVI. und Pius IX.). Im weiteren