geschichtlichen Entwicklungsgang wurde in der Kirche aber mehr und mehr erkannt, daß in ihrem eigenen Erbe grundlegende Momente eines Toleranzethos gegeben sind. Toleranz meint die Haltung eines Menschen, der andere respektiert, obwohl sie andere Meinungen und Überzeugungen vertreten. Im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth begründet der Apostel Paulus die Haltung der Toleranz an einem Beispiel. Er fordert die Gemeindeglieder mit einem starken Gewissen auf, Rücksicht zu nehmen auf andere, die ein schwaches Gewissen haben (vgl. 1 Kor 8).
Die heutige ethische und rechtliche Begründung der Gewissensfreiheit geht von einem Verständnis der Gewissensentscheidung aus, über das bei den Menschen ganz allgemein Übereinstimmung erzielt werden kann. Danach ist eine Gewissensentscheidung jede ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Nun sind solche Gewissensentscheidungen zwar "einsame" Entscheidungen, aber es sind immer Entscheidungen, die in einem sozialen Zusammenhang stehen. Daraus ergibt sich die Frage, wie in der modernen Gesellschaft, in der es unterschiedliche Überzeugungen in Fragen des Glaubens und der Sittlichkeit gibt, jedem einzelnen Menschen in der Gesellschaft ein Raum gewährt wird, der es ihm erlaubt, nach seinem Gewissen zu leben, denn das allein entspricht der Würde der Person. Moderne demokratische Verfassungen haben deshalb die Gewährleistung der "Freiheit des Gewissens" in den Katalog der vom Staat zu gewährleistenden Grundrechte aufgenommen (Art. 4 Abs. 1 GG der Bundesrepublik Deutschland). Die Respektierung der "Freiheit des Gewissens" liegt in der Konsequenz einer rechtsstaatlichen Grundordnung, die auf der Würde und Unantastbarkeit der Person aufbaut. Das gleiche gilt auch für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.
Das Zweite Vatikanische Konzil, das die Gewissensfreiheit in engem Zusammenhang mit der Religionsfreiheit sieht, geht in seiner "Erklärung über die Religionsfreiheit" vom 7. 12. 1965 ebenfalls von der Würde der menschlichen Person aus. Diese "kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewußtsein, und es wächst die Zahl derer, die den Anspruch erheben, daß die Menschen bei ihrem Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewußtsein der Pflicht geleitet" (DH 1). Der entscheidende Text zur religiösen Freiheit lautet:
|