Band II - Erster Teil Ruf Gottes - Antwort des Menschen
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In einem letzten Sinn entzieht sich das Gewissen einer solchen Überprüfung. Allenfalls können Kriterien aufgestellt werden, nach denen die Glaubwürdigkeit des Betreffenden, nicht aber dessen persönliche Gewissensüberzeugung beurteilt wird.

Bei rechtlichen Regelungen über die Ausübung der sittlichen Entscheidungsfreiheit ist darauf zu achten, daß sie die Gewissensfreiheit nicht einschränken, sondern ermöglichen und einen breiten Raum für Eigeninitiativen offenhalten. Von der Ausübung der Gewissensfreiheit kann in Gesellschaft und Kirche eine erneuernde Kraft ausgehen und ein tieferes Gespür für mehr Menschlichkeit entwickelt werden. Große Impulse zur Änderung des Bewußtseins gehen in der Weltgeschichte wie in der Kirchengeschichte häufig von einzelnen Personen oder von kleinen Gruppen und Gemeinschaften aus, die sich vom Anruf ihres persönlichen Gewissens leiten lassen.

Für den Glaubenden ist der Anruf des Gewissens immer ein Anruf Gottes an die Freiheit des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen. In verantworteter Freiheit sollen wir bemüht sein, unsere Glaubensüberzeugung im Leben aus dem Glauben zu verwirklichen. Die sittliche Botschaft der Kirche weist uns dabei auf die Rahmenbedingungen hin, die uns von Gott für den Weg mit Gott und den Mitmenschen vorgegeben und aufgegeben sind: auf die Zehn Gebote als Orientierungen für ein humanes Gelingen unseres Lebens. Um diese Orientierungen, die uns in der "Mitte der Person", im Gewissen, zur gewissenhaften Antwort aufrufen, geht es im folgenden zweiten Teil.
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