ist der Mensch für die anderen Menschen, der am Ende im Gehorsam gegen den Vater sein Leben "für viele", d. h. für alle dahingibt (Mk 10,45). Dieses Gesetz der Stellvertretung, welches das ganze Leben Jesu und erst recht sein Sterben bestimmte, bringt er selbst beim Letzten Abendmahl zum Ausdruck: Mein Leib für euch - mein Blut für euch (vgl. 1 Kor 11,24-25; Lk 22,19-20). In diesem Für-euch, Für-uns und Für-alle ist Jesus Christus in leibhaftiger menschlicher Gestalt die Erscheinung der Güte und Menschenliebe Gottes (vgl. Tit 3,4).
Die wahre Menschheit Jesu ist dem Glauben des Neuen Testaments und der Kirche ebenso wichtig wie der Glaube an die wahre Gottheit Christi. Der Glaube an Jesus als eine Art Gott-Wesen wäre für die Zeit des Neuen Testaments gar nicht unbedingt etwas Besonderes und Außerordentliches gewesen. Aber der Glaube an den Sohn Gottes, der wie ein Verbrecher am Kreuz stirbt, war "für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit" (1 Kor 1,23). Für den 1. und 2. Johannesbrief fällt die Entscheidung mit dem Bekenntnis, "daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist". Wer sich dazu nicht bekennt, der ist der Antichrist (2 Joh 7; vgl. 1 Joh 4,3). Schon früh traten nämlich Irrlehren auf, die behaupteten, Jesus habe nur einen Scheinleib gehabt und er habe nur zum Schein gelitten. Dagegen schrieb der Märtyrer-Bischof Ignatius von Antiochien bereits um das Jahr 110 in seinem Brief an die Gemeinde von Smyrna: Wenn Jesus nur zum Schein gelebt und gelitten hat, dann sind wir auch nur zum Schein erlöst. Dann würde sich alles am Christentum in eine Scheinwirklichkeit auflösen.
Daß Jesus, der Sohn Gottes, zugleich wahrer und ganzer Mensch ist, stellt also nicht nur eine Tatsachenwahrheit, sondern eine Heilswahrheit dar. Denn nur wenn Gott leibhaftig in unser menschliches Fleisch und Blut eingegangen ist, hat er uns auch in unserer Menschlichkeit erlöst. Dann hat er in Jesus Christus unser ganzes Menschsein zusammengefaßt (Irenäus von Lyon), dann gibt es seither keine menschliche Dimension mehr, die grundsätzlich gottlos und gottfern wäre. Dann hat Gott in Jesus Christus alles Menschliche angenommen und geheiligt. Heil und Erlösung sind dann nie nur innerliches Seelenheil, sondern zielen auf das Heil- und Ganzsein des Menschen. Zur Menschlichkeit des Heils gehört ebenso, daß es uns von Jesus Christus auf eine menschliche Weise geschenkt
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