rückläufig die Macht- und Lebensansprüche gesellschaftlicher Gruppen rechtfertigen. Der Verdacht auf solche Strukturen hat sich seit Marx, Nietzsche und Freud ungemein erhöht. Jedes wirklichkeitsgerechte Denken ist Ideologie-Kritik, weil es wachsam ist gegenüber ungerechtfertigten Ansprüchen.
Viele Menschen sind der Meinung, daß das Christentum eine Weltanschauung bzw. Ideologie neben anderen sei. In einer Ideologie entwirft ein Mensch sich ein Bild (griechisch: eidolon) von der Wirklichkeit, unter das er die Wirklichkeit dann, wenn sie mit diesem Bild nicht (mehr) übereinstimmt, zwingt. Es ist geradezu ein charakteristisches Merkmal der Ideologien, daß sie die Wirklichkeit in ihren unterschiedlichen Dimensionen vollständig und umfassend aus einem Ansatz heraus erklären wollen, der im Grunde nur ein einziger Faktor der Wirklichkeit ist. Im Christentum ist dies anders. Hier entwirft nicht der Mensch sich ein Bild von Gott, sondern Gott ist es, der sich den Menschen offenbar macht. Wenn das erste Gebot die Menschen davor warnt, sich von Gott ein Bild zu machen (Dtn 5,8-10), dann will es damit auch den Offenbarungscharakter der Religion zum Ausdruck bringen. Gott ist unverfügbar und steht auch nicht den Gedanken, Ideen und guten oder schlechten Absichten der Menschen zur Verfügung. Verfügbar ist den Menschen nur die Welt, nicht aber Gott. Das Christentum leitet sich darüber hinaus von einer Person her, von Jesus Christus. Das Wort, das Jesus Christus mitteilt, ist Er selbst.
Was über Ideologien gesagt ist, gilt weithin auch von Sekten, die ihre Sicht von Gott und Christentum oder ihren an ihnen vorbeiführenden "Heilsweg" fanatisch und oft kämpferisch absolut setzen.
In den Herausforderungen, denen der Glaube durch den Unglauben der Umwelt und durch Ideologien ausgesetzt ist, zeigt sich, daß der Widerspruch, den der Glaube in der Welt erfährt, zum Schicksal der Glaubenden gehört. Das ist ihnen von Jesus selbst vorausgesagt: "Ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn. Der Jünger muß sich damit begnügen, daß es ihm geht wie seinem Meister" (Mt 10,24 par.). Das Wort des Herrn "In der Welt seid ihr in Bedrängnis" (Joh 16,33) hat sich bis hin zum Ertragen des Martyriums von Anfang an bis heute unzählige Male bestätigt. In allen Jahrhunderten sind Christen wegen ihres Glaubens vor die Gerichte der Mächtigen geschleppt worden; immer wieder werden ihnen in
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