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So ist in Jesus Christus für alle Menschen ein neuer Anfang gemacht. Was in seiner Menschwerdung auf einmalige Weise geschehen ist, das soll allen Menschen zuteil werden. Wir sollen durch die Gemeinschaft mit Gott zur Erfüllung unseres Menschseins gelangen. Das grundlegende Dogma des Konzils von Chalkedon wurde in der Folgezeit weiterentfaltet. Aus der Wahrheit von der wahren menschlichen Natur Jesu Christi wurde abgeleitet, daß Jesus Christus als wahrer Mensch auch eine wahre menschliche Geistseele und einen wahren menschlichen Willen besitzt, der freilich der Gottheit im freien Gehorsam ganz untergeordnet ist. Dies wurde gegen die Irrlehre vom einen Willen in Jesus Christus (Monotheletismus) vom sechsten allgemeinen Konzil zu Konstantinopel (680-681) feierlich erklärt (vgl. DS 556; NR 220). Die damit ausgesagte menschliche Freiheit Jesu ist die Grundlage und Voraussetzung seines Gehorsams, durch den er uns erlöst hat. So zeigt auch dieses Dogma die Menschlichkeit des Heils Gottes durch Jesus Christus.
So wie Jesus Christus wahre menschliche Willensfreiheit zukommt, so auch eine wahre menschliche Erkenntnis. Die Heilige Schrift sagt uns, daß seine Weisheit zunahm (vgl. Lk 2,52) und daß er durch Leiden den Gehorsam lernte (vgl. Hebr 5,8). So besaß Jesus ein menschliches Erfahrungswissen und ein menschliches Ich-Bewußtsein. Darin wußte sich Jesus nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift freilich ganz eins mit Gott, seinem Vater. Diese einmalige innige Verbundenheit des Wissens und der Gewißheit ist gemeint mit der Lehre von der unmittelbaren Gottanschauung Jesu bereits in seinem irdischen Leben (vgl. DS 3812; NR 245). Diese Lehre muß so verstanden werden, daß sie das normale Erfahrungswissen und vor allem die Leidenserfahrung Jesu, sein Ringen mit dem Willen des Vaters (vgl. Mk 14,33-36) und seinen Ruf "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk 15,34) nicht verdrängt, verdeckt und letztlich unwirklich erscheinen läßt. Die grundlegende und durchhaltende Gottesgewißheit Jesu hat sich vielmehr gerade in solchen menschlichen Erfahrungen immer wieder neu bewährt. Nur so ist Jesus "Urheber und Vollender des Glaubens" (Hebr 12,2). Nur so ist in ihm schon jetzt inmitten der Geschichte die Fülle der Zeit angebrochen.3.4 Jesus Christus - die Fülle der Zeit Schon das Bekenntnis und der Name Jesus Christus sagen, daß in Jesus Christus die messianische Zeit, die von Gott verheißene Erfüllung der Geschichte angebrochen ist. Der Apostel Paulus führt dieses Bekenntnis aus: "Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen." (Gal 4,4-5)
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