Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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II. Geboren von der Jungfrau Maria

1. Maria gehört ins Evangelium

Das Evangelium bezeugt uns Maria als Mutter Jesu. Sie wurde von Gott auserwählt als Mutter seines Sohnes. Deshalb bekennt sie die Kirche als Mutter Gottes und als unsere Mutter. Viele Christen haben heute jedoch große Schwierigkeiten mit der Aussage des Glaubensbekenntnisses "geboren von der Jungfrau Maria". Die Schwierigkeiten beziehen sich nicht allein auf die vielen nur schwer verständliche oder gar unverständliche jungfräuliche Geburt Jesu durch Maria, sondern betreffen viel grundsätzlicher die Tatsache, daß Maria überhaupt im Credo vorkommt. Vor allem evangelische Christen haben die Sorge, die Marienverehrung könne den Glauben an Jesus Christus, den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, verdunkeln. In der Tat, man kann nicht bestreiten, daß es Übertreibungen in der Marienfrömmigkeit gegeben hat und gibt. Aber es gibt auch Verengungen und Verkürzungen, die übersehen, daß Maria deshalb ins Credo der Kirche gehört, weil sie ins Evangelium gehört, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Von diesem biblischen Bild Marias gilt es auszugehen; von ihm muß sich echte Marienfrömmigkeit immer wieder inspirieren und an ihm sich kritisch messen lassen.

Die Heilige Schrift erwähnt Maria vor allem, weil sie die menschliche Mutter Jesu ist. Auf hebräisch heißt sie Mirjam. Sie ist eine Frau aus dem einfachen Volk, die mit ihrem Volk auf die Ankunft des Erlösers aus dem Hause Davids hofft. In der Stunde der Erfüllung spricht sie das Ja des Glaubens und stellt sich damit bereitwillig in den Dienst am Heil und an der Hoffnung ihres Volkes (vgl. Lk 1,38). Das Zeugnis des Neuen Testaments von Maria beschränkt sich indes nicht auf die Kindheitsgeschichten bei Matthäus und Lukas. Maria begegnet uns auch während des irdischen Lebens Jesu (vgl. Mk 3,20-21; Lk 11,27-28; Joh 2,1-12). Hier ist sie die Suchende und Fragende, der auch schwere Enttäuschungen nicht erspart bleiben. Auch sie wird auf den Weg des Kreuzes gestellt. Aber sie hält ihr ursprüngliches Ja des Glaubens durch und steht zusammen mit dem Jünger, den Jesus liebte, unter dem Kreuz (vgl. Joh 19,25-27). Deshalb wird sie als die Schmerzensmutter
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