Versklavung zerstört nicht nur die Liebe zwischen Menschen, sondern auch die Liebe zu Gott.
3.4. Wege geglückten Lebens: Die "evangelischen Räte"
Die christliche Tradition zählt die Vergötzung des Begehrens zu den Lastern, denen der Mensch beim Streben nach Besitz, Macht und Genuß leicht verfällt: "die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz" (1 Joh 2,16). Angesichts dieser Gefährdung ist der Mensch verpflichtet, seine Einstellung zu Macht, Besitz und Genuß so zu gestalten, daß die Strebungen in rechter Weise in die Gesamtorientierung des Lebens eingefügt sind. Dabei können auch Askese und Verzicht eine große Bedeutung für die Lebensform des Menschen haben. Das ergibt sich aus der Verantwortung eines jeden für die sittlich richtige Gestaltung seiner Grundstrebungen. Eine besondere Weise des Verhaltens zu Besitz, Geschlechtlichkeit und Macht ist die freigewählte Lebensform von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam, die sich in der Kirche unter dem Begriff "evangelische Räte" herausgebildet hat (vgl. auch KEK 1, 285).
Die Formel "drei evangelische Räte" stammt aus dem 12. Jahrhundert, die Lebensform selbst ist in der Kirche von Anfang an als Ideal der Nachfolge Christi in der Nachahmung der Jünger Jesu mit ihrem Herrn bekannt. In der Zeit der Kirchenväter und in der mittelalterlichen Theologie unterschied man im Anschluß an die Perikope vom reichen Jüngling (Mt 19,17.21) einen zweifachen Weg des christlichen Lebens: den Weg der Gebote und den Weg der Räte. Letzterer galt als der Weg der Vollkommenheit (vgl. dazu besonders die Erläuterungen in KKK 915-933; 1973f).
Das Zweite Vatikanische Konzil (LG 39-42; vgl. PC 12-14) stellt heraus, daß es grundsätzlich eine allgemeine Berufung zur Heiligkeit und zur Gemeinschaft mit Jesus Christus gibt. Alle Christen sind zu vollkommener Liebe berufen, die man auf beiden Wegen erreichen kann. Die evangelischen Räte sind eine besondere Weise des christlichen Lebens und haben einen wichtigen zeichenhaften Sinn. Sie sind ein Weg der besonderen Berufung. Für jene, die diesen Ruf erfahren, ist er der "bessere" Weg im Sinne der für sie richtigen Lebensform, in der sie die