Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
Seite 169 Seite: 170 Seite 171
verleihe mir in deiner Huld den rechten Glauben,
gewähre mir Weisheit und Klugheit und Kraft,
dem Verderber zu widerstehen,
das Böse zu meiden
und deinen Willen zu vollbringen. Amen."
(Stundenbuch, Bd. III, S. 158f)
Eindringlich stellt uns das Gebet die Größe Gottes dadurch vor Augen, daß es die gesamte Wirklichkeit der Welt abschreitet und hinter allem Gott als den ganz Anderen und Unfaßbaren bekennt, der alles in souveräner Unabhängigkeit geschaffen hat.

In dieser Weise von Gott zu sprechen und ihn als den unendlich erhabenen, unvergleichlichen Gott zu bekennen, das scheint dem ersten Gebot besonders zu entsprechen.

In der sogenannten "negativen" Theologie steht das unbegreifliche Geheimnis Gottes im Mittelpunkt. Gott kann zwar auf analoge Weise erkannt werden, aber er bleibt der Unbegreifliche. Dahinter steht die Sorge um die unbeeinträchtigte Aufrechterhaltung der Aussage von der Andersartigkeit Gottes. Eine Grundaussage der negativen Theologie lautet: Wir wissen von Gott eher, was er nicht ist, als was er ist (Thomas von Aquin), oder: Gott wird besser durch Nichtwissen gekannt (Augustinus). Negative Theologie bleibt aber in ihren besten Vertretern (zum Beispiel Pseudo-Dionysius, Thomas von Aquin) nicht beim Weg der Verneinung stehen, sondern führt zum Geheimnis Gottes. - Die Weise, von Gott eher zu sagen, was er nicht ist, als was er ist, hat eine unverzichtbare Bedeutung (Lat. IV; DS 806). Unsere Begriffe sind geprägt von der Vorstellung der Endlichkeit und Unvollkommenheit und können deshalb ohne einen reinigenden Prozeß nicht auf Gott übertragen werden. Zudem wahrt die negative Theologie die bleibende Distanz des Menschen zu Gott. Sie läßt den Menschen nicht vergessen, daß Gott der ganz Andere ist, auch wenn er uns näher ist als wir uns selbst (Augustinus).

In der Geschichte der Theologie und der Frömmigkeit hat diese Denkweise große Bedeutung. Doch muß auch festgehalten werden, daß wir menschliche Bilder und Worte brauchen, um von Gott reden zu können. Wir müssen uns aber bewußt bleiben, daß Gott immer größer ist als alles, was wir von ihm denken, sagen und in Vorstellungsbildern ausdrücken können.
Seite 169 Seite: 170 Seite 171