Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden" (Lk 1,35; vgl. Gal4,4). Man kann in dieser Aussage einen Anklang an die alttestamentliche Erzählung finden, wonach die Herrlichkeit Gottes in Gestalt einer Lichtwolke vor Israel hergezogen ist (vgl. Ex 13,21), ja inmitten Israels, im heiligen Zelt, Wohnung genommen hat (vgl. Ex 40,34). Die Wolke ist hier Symbol der machtvollen Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes. Wenn nun nach dem Neuen Testament Maria von Gottes Geist überschattet wird, dann ist sie die neue Wohnung Gottes, das neue Zelt des Bundes, in dem Gottes Wort unter uns Wohnung aufgeschlagen hat (vgl. Joh 1,14).

Ausgehend von solchen biblischen Aussagen konnte die Kirche auf dem dritten allgemeinen Konzil, dem Konzil von Ephesus (431), lehren: Maria ist die Mutter Gottes. Dieses Bekenntnis ist allen Christen gemeinsam. Auch die Reformatoren des 16. Jahrhunderts haben daran festgehalten. Man darf den Ausdruck Gottesmutter freilich nicht mißverstehen. Selbstverständlich hat Maria nicht Gott als Gott geboren. Das wäre nicht Evangelium, sondern bare Mythologie, wo oft von einem weiblichen Prinzip in der Gottheit oder manchmal von einer Quaternität (Viergottheit) die Rede ist. Maria, wie sie in der Bibel bezeugt und von der Kirche geglaubt wird, ist und bleibt Geschöpf! Sie hat nicht Gott als Gott, sondern Jesus Christus seiner mit der Gottheit wesenhaft verbundenen Menschheit nach geboren. So ist das Bekenntnis zur Gottesmutterschaft letztlich ein Bekenntnis zu Jesus Christus, der in einer Person wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Wenn die Kirche Maria als Gottesmutter verehrt, so will sie damit Jesus Christus, der in Person der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, verherrlichen.

2.2 Maria, unsere Mutter

Der Ehrentitel "Gottesmutter" begegnet uns erstmals in einem Gebet, das uns bereits um das Jahr 300 bezeugt ist. In etwas erweiterter Form sprechen wir dieses Gebet noch heute:
"Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, heilige Gottesmutter. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren, o du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere
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