Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Es gibt eine Vielzahl von Gottesvorstellungen in der Volksfrömmigkeit. Manche davon sind wertvoll, andere können einer kritischen Prüfung nicht standhalten, weil sie das Gottesverhältnis verfälschen. Darüber hinaus können sie, wenn wir sie an andere weitergeben, ihrem Glauben schaden und ihnen zum Anstoß werden, so daß sie sich ärgern oder den Glauben zu verachten beginnen.

Gott als der nur "liebe Gott". Das Bild vom "lieben Gott" kann zu einem falschen Bild werden, wenn der liebe Gott als ein bequemer Gott verstanden wird, der keine Ansprüche stellt und alles, was der Mensch tut, mit dem Mantel der Nachsicht zudeckt. In dieser Vorstellung wird Gott verharmlost. Für viele ist jedoch die Vorstellung vom lieben Gott die schönste und innigste Weise der Gottesvorstellung. Ihnen ist der liebe Gott der liebende Gott, der sich den Menschen in väterlicher Liebe zuneigt und sie in seiner Liebe trägt. Dieser liebende Gott versteht die Menschen, er erbarmt sich ihrer Schwäche und verzeiht ihnen ihre Schuld.

Gott als der überfordernde Gott. Nach dieser Gottesvorstellung legt Gott den Menschen schwere Lasten auf und drückt sie mit seinen Geboten und Verboten nieder. Menschen, die Gott nur als fordernden Gott sehen, sind nicht selten selbst unbarmherzig oder gar fanatisch. Sie verkennen, daß der Gott der Gebote der befreiende Gott ist, der mit den Menschen geht und niemals etwas fordert, ohne es zuvor zu ermöglichen.

Gott als Aufpasser. Viele sehen in Gott einen Aufpasser, der darüber wacht, daß man alle Gebote und Vorschriften peinlich genau erfüllt. Gottes Hinschauen auf den Menschen ist nicht Kontrolle, sondern Schutz und Hilfe, Mitgehen und Mitleben, Erbarmen und Mitleiden mit den Menschen.

Gott als Lückenbüßer. Mancher erinnert sich erst an Gott, wenn er im Leben nicht mehr zurechtkommt. Gott soll der letzte Nothelfer sein, der zur Verfügung stehen muß, wenn man ihn um etwas bittet; mit ihm kann man verhandeln und feilschen; ihm gibt man alle möglichen Versprechungen, damit er das tut, was man von ihm haben möchte; man ist von ihm enttäuscht, wenn er die Wünsche nicht erfüllt.

Gott als Garant des irdischen Lebens. Viele fordern von Gott, daß alles im Leben glatt gehen soll, daß man überall durchkommt, daß alles kalkulierbar bleibt, daß nicht Leid, Krankheit oder Unglück hereinbricht und daß im Leben immer nur die Sonne scheint. Er soll der Gott des Erfolges sein.


Diese Beispiele lassen deutlich werden, in welcher Weise uns das erste Gebot auffordert, unsere Gottesvorstellungen selbstkritisch zu überprüfen.
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