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(vgl. DS 422; 427; 437; NR 181; 185; 192). Daran hielt auch Luther fest (Schmalkaldische Artikel), anders freilich die allermeisten heutigen protestantischen Schriftausleger. Sie verweisen auf die Aussage der Schrift, die von den Brüdern und Schwestern Jesu (vgl. Mk 6,3; Mt 27,56; 1 Kor 9,5) wie von einem Herrenbruder Jakobus (vgl. Gal 1,19) sprechen. Katholische Forscher machen demgegenüber geltend, es gebe gute Gründe, entsprechend damaligem Sprachgebrauch darunter nahe Verwandte Jesu, etwa Vettern und Basen, zu verstehen.
Aus alledem folgt nicht, daß man die Bekenntnisaussage von der jungfräulichen Geburt Jesu historisch beweisen kann, sondern nur, daß die historischen Gegenargumente nicht zwingend sind. Wir können also sagen: Die neutestamentlichen Texte lassen, rein historisch betrachtet, die Auslegung der Kirchenväter, die sich im Credo niedergeschlagen hat, zu. Letztlich bleibt über diesen Texten aber ein Geheimnis, das rein historischer Betrachtung gar nicht zugänglich ist. Es erschließt sich uns erst, wenn wir die biblischen Texte mit der Kirche im Licht der kirchlichen Überlieferung, wie sie im kirchlichen Glaubensbekenntnis Ausdruck gefunden hat, lesen. Erst das kirchliche Glaubensbekenntnis schenkt uns hier Eindeutigkeit und Gewißheit.3.2 Ein tiefer theologischer Sinn Das Neue Testament bezeugt uns die jungfräuliche Geburt Jesu als von Gott gewirktes Wunder. Die eigentliche Frage ist also, ob man es Gott zutraut, daß er wirklich der allmächtige Vater ist. Würde so etwas wie eine jungfräuliche Geburt grundsätzlich ausgeschlossen, wäre die Gottes- und Glaubensfrage überhaupt gestellt. Dann wäre die Welt als ein hoffnungslos in sich geschlossenes System verstanden. Der eigentliche Einwand, den heute viele gegen das Bekenntnis zur jungfräulichen Geburt hegen, ist deshalb nicht historischer Art, sondern entspringt dem durchschnittlichen heutigen Weltbild. In dieser Perspektive scheint die Jungfrauengeburt wenn nicht ganz unmöglich, so doch äußerst unwahrscheinlich zu sein. Das ist sie in der Tat, und zwar nicht erst heute, sondern auch schon damals. Aber ist das menschlich Unwahrscheinliche auch das für Gott Unmögliche, oder gilt nicht, daß für Gott nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1,37)? Das heißt nicht, der Glaube müsse möglichst viele Wunder postulieren und alle Wunderberichte leichtgläubig übernehmen. Gottes Wundertaten stehen im Dienst für das Kommen der Herrschaft Gottes. Sie ist das schlechterdings unableitbare Wunder Gottes, das mit dem Kommen Jesu Christi angebrochen ist. So ist die jungfräuliche Geburt Jesu ein leibhaftiges Zeichen des neuen Anfangs Gottes. Sie ist ein Zeichen menschlicher
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