Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Das Gebet der Hingabe kann am Anfang jedes Tages, aber auch an besonders schwierigen Wegmarken stehen: in Krankheit und Leid, in grundsätzlichen Lebensentscheidungen, in der Gefährdung des Glaubens, in Bedrängnis und Verfolgung.

Eine vierte Weise des Betens ist das Gebet der Klage, der Bitte und der Fürbitte. Es erwächst aus Not und Hilflosigkeit und ist Ausdruck unserer Bedürftigkeit vor Gott. Vieles, was in der Welt, in der Geschichte der Völker und im Leben der einzelnen Menschen geschieht, erscheint uns wie ein sinnloses und blindes Schicksal: Naturkatastrophen, der Tod eines geliebten Menschen, ungerechtes Leiden, Demütigung, Zurücksetzung, Kränkung und Verachtung. Viele Menschen sind einsam, leiden unter Krankheit und Alter und wissen vor Kummer nicht ein noch aus. Sie treten vor Gott hin mit der Klage oder gar anklagenden Frage: Warum geschieht das alles? Warum muß gerade mich solches Unheil treffen? Warum läßt Gott das alles zu?

Im Bittgebet wendet sich der Glaubende an Gott und vertraut ihm seine Sorgen an, wie ein Kind zu Vater und Mutter geht. Gott ist für uns wie ein Vater und wie eine Mutter, er liebt uns und nimmt sich unserer Sorgen an. Im Bittgebet drückt sich unser Vertrauen aus. Die Vertrauensäußerung kann auch zu einem eigenen Gebet werden (vgl. Ps 23).

Das Neue Testament berichtet davon, daß Jesus sich immer wieder in die Einsamkeit zurückzieht, um zu beten. Er bittet den Vater und lädt auch uns ein, zu ihm zu gehen und darauf zu vertrauen, daß Gott unsere Bitten in seinem Namen erhört: "Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben" (Joh 16,23). In der Bitte können wir nicht nur zum Vater im Himmel gehen, sondern auch zu Jesus Christus selbst. Er verheißt uns die Erfüllung unserer Bitten, zumal wenn wir einmütig im Namen Jesu versammelt sind und mit ihm uns an den Vater wenden (vgl. Mt 18,19f).

Zum Bitten gehört auch die Fürbitte. In ihr stehen wir füreinander bei Gott ein. Im Fürbittgebet erweisen wir unsere Solidarität mit den uns Anvertrauten und mit allen Menschen: mit den Lebenden und den Verstorbenen, ja, mit der ganzen Schöpfung Gottes.
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