Reden Jesu (vgl. Mk 10,38-39; 12,1-8; Lk 12,50; 13,32-33) mancherlei Andeutungen, die eine Todesahnung Jesu nahelegen. Im Zusammenhang des Letzten Abendmahls ist ein Wort Jesu überliefert, das seine Todesgewißheit ebenso zeigt wie seine ungebrochene Überzeugung vom Kommen des Gottesreiches: "Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes" (Mk 14,25; vgl. Lk 22,16.18). Dieses Wort zeigt, daß Jesus seinen Tod trotz aller menschlichen Erschütterung nicht als anonymes Schicksal, sondern als Willen seines Vaters angenommen hat: "Abba, Vater..., nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen" (Mk 14,36). Auch wenn, ja gerade wenn Jesus bei seinem Gang ins Leiden und in den Tod die verborgenen Gedanken Gottes noch nicht klar enthüllt waren - auch das gehört zu seiner Selbsterniedrigung -, hat er doch auch noch in diesem Dunkel den Willen des Vaters bejaht: "Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden" (Hebr 5,8-9).
Es gibt nichts Menschenunwürdiges, das Jesus auf dem Weg des Kreuzes nicht erfahren hätte: grundlose Verhaftung, Verrat aus dem eigenen Kreis, Flucht der engsten Freunde, unmenschliche Verhöre und grausame Folterungen, falsche Anklagen, Meineide, politisches Herumschachern auf dem Rücken eines Unschuldigen und Wehrlosen, Verspottung, Verurteilung als Verbrecher und Krimineller, Verurteilung zum Tod, physischer Zusammenbruch unter dem Kreuz, Lästerungen, gaffende Sensationslüsternheit, Erfahrung der Gottverlassenheit. Hier gilt: "Ecce homo!" "Seht, da ist der Mensch" (Joh 19,5). Seht, was bringen Menschen alles fertig, und was können und müssen Menschen alles leiden!
1.2 Hat Jesus seinen Tod als Heilstod verstanden?
Wichtig für das Verständnis Jesu von seiner Person und von seiner Sendung ist vor allem die Frage, ob und wie Jesus selbst seinem Tod eine Heilsbedeutung beigemessen hat. Diese Frage läßt sich historisch nur schwer beantworten. In alle Überlieferungen sind bereits Deutungen der Urgemeinde mit eingeflossen. Es gibt jedoch schon rein historisch gute Gründe dafür, daß Jesus im Gehorsam gegen seinen Vater bis zum Ende