Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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seinen Dienst für die Menschen durchgehalten hat. Von besonderer Bedeutung sind das Abendmahlsgeschehen und die Geschehen deutenden Worte. Zwar sind uns die Deuteworte Jesu nicht einheitlich überliefert; aber sie lassen sich nicht als bloße Rückübertragung aus der Eucharistiefeier in der Urgemeinde erklären. In allen Überlieferungsformen wird vom "Bund" (vgl. Mk 14,24; Mt 26,28) oder von dem "Neuen Bund" (vgl. Lk 22,20; 1 Kor 11,25) gesprochen, den Jesus durch sein Blut begründet. In allen Texten steht auch das wichtige und beziehungsreiche Wort von der Hingabe "für euch" oder "für viele", d. h. im Sprachgebrauch der Heiligen Schrift: "für alle". "Viele" bedeutet die Gesamtheit, für die sich der eine hingibt (vgl. Jes 53,11). Die Abendmahlsworte werden von besonderen Gesten des Mitteilens, des Verschenkens und der Hingabe begleitet. Das alles gibt einen Anhalt für die Überzeugung, daß Jesus seinen Tod als Heilstod verstanden hat und daß er über seinen Tod hinaus an die Jüngergemeinschaft gedacht und ihr ein Gedächtnis seines Todes eingestiftet hat, das zugleich die Verheißung des künftigen Gottesreiches enthielt.

So ergibt sich, daß die Botschaft vom Kommen des Heils der Gottesherrschaft in einem inneren Zusammenhang mit dem Glauben an die Heilsbedeutung des Todes Jesu am Kreuz steht. Denn Jesu Verkündigung von der Nähe, ja vom zeichenhaften Anbruch der Gottesherrschaft verlangt die Annahme des göttlichen Heilsangebots durch die Hörer. Mit der Ablehnung seiner Botschaft und der Verwerfung seiner Person war eine neue Situation eingetreten. Jesus nimmt sie im Gehorsam als seine vom Vater bestimmte "Stunde" an (vgl. Mk 14,35.41; Joh 12,23.27-28, 13,1; 17,1). Die Hartherzigkeit der Menschen vermag Gottes Heilspläne nicht umzustoßen. So eröffnet Gott mit der Hingabe seines Sohnes der Menschheit einen letzten Weg der Rettung.

Nur wenn man diesen äußersten Liebeserweis Gottes als Vollzug seiner strafenden Gerechtigkeit deutet und in Jesus nur den "Sündenbock" für die Menschheit versteht, entsteht eine unerträgliche Spannung zwischen dem Gott, den Jesus verkündigte, und jenem, der seinen Tod zum Heil der Menschheit wollte. Aber eine solche Deutung verfehlt den tiefen Sinn, der im Sterben des Einen für die Vielen liegt: der äußerste Erweis der Liebe Gottes. "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß
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