Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3,16; vgl. Röm 8,32).

2. Die Heilsbedeutung des Todes Jesu am Kreuz

2.1 Gottes Heilswille

Der schändliche Tod Jesu am Kreuz war für jüdische Menschen ein Gottesgericht, ja ein Fluch (vgl. Gal 3,13), für die Römer eine Schmach und, wie nicht wenige Zeugnisse belegen, ein Grund zu Verachtung und Spott. Paulus schreibt:
"Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit." (1 Kor 1,22-23)
Es war deshalb eine schwierige Aufgabe für die urchristliche Verkündigung, mit diesem Skandal des Kreuzes Christi fertigzuwerden. Doch die Urkirche erinnerte sich an Jesu eigene Worte beim Letzten Abendmahl; im Licht der Auferweckung Jesu durch Gott wurde ihr vollends bewußt, daß dieser so anstößige Tod Jesu zwar auf der vordergründigen Ebene der Geschichte durch den Unglauben und die Feindschaft von Menschen bewirkt wurde, daß dahinter aber Gottes Wille, Gottes Heilsplan, ja Gottes Liebe steht. Sie erkannte im Weg Jesu durch Leiden und Tod ein göttliches "Muß" (vgl. Mk 8,31; Lk 24,7.26.44), das bereits im Alten Testament vorgezeichnet ist. Deshalb heißt es bereits in einer der ältesten Überlieferungen des Neuen Testaments, die Paulus in seinen Gemeinden schon vorfand, als er sich bekehrte, Jesus Christus sei gemäß den Schriften für uns gestorben (vgl. 1 Kor 15,3).

Daraus ergaben sich verschiedene Ansätze, um den tieferen göttlichen Sinn des Todesgeschicks Jesu zu deuten: Nach einer frühen Deutung teilt Jesus das Los der Propheten, die von Israel abgelehnt und getötet worden waren (vgl. Lk 13,34; Mt 23,29-31.35). Darum erwartet ihn in Jerusalem, der Gottesstadt, der gewaltsame Tod, "denn ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen" (Lk 13,33). Der alte, von Markus übernommene Passionsbericht schildert Jesus als den
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