I. Der Mensch vor dem Ruf Gottes
1. Anruf zum Menschsein
Viele Menschen unserer Zeit haben ein tiefes Gespür für Menschenwürde und Menschenrechte. Das spiegelt sich wider im Verlangen nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, in der Sehnsucht nach Freiheit und Identität, in der Forderung nach Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Diese Einsichten und Einstellungen erhalten in der heutigen Lebenswelt ein besonderes Gewicht. Durch unterschiedliche Philosophien, Weltanschauungen, Religionen und Konfessionen, durch Wissenschaft und Technik, durch Wandlungen in Gesellschaft und Wirtschaft und durch politische Umbrüche scheint sich ein neues Zeitalter anzukündigen. "Heute steht die Menschheit in einer neuen Epoche ihrer Geschichte, in der tiefgreifende und rasche Veränderungen Schritt um Schritt auf die ganze Welt übergreifen" (GS 4).
In dieser Situation stellt der Mensch in besonderer Weise die Frage nach sich selbst. Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Hierauf gibt es unterschiedliche Antworten. Christen bezeugen im Glauben, daß ihnen auf die Frage nach Wesen, Ursprung und Ziel des Menschen die letzte Antwort von Gott her gegeben ist; denn er hat den Menschen erschaffen, er erlöst und befreit ihn durch Jesus Christus und verheißt die endgültige Vollendung in der Herrlichkeit des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. KEK 1, 113f).
Zu diesem glaubenden Vertrauen sind alle Menschen eingeladen. Gott will alle Menschen erlösen und befreien. Er selbst will in Jesus Christus und in seiner Kirche die Antwort geben auf die Ursehnsucht nach Sinn und Ziel des Lebens, nach Erfüllung des eigenen Ich in seinen Strebungen und Gefühlen, in seiner Liebe und in seinem Verlangen nach Gerechtigkeit in der Welt und nach Barmherzigkeit für die Lebenden und die Toten.
Im Suchen nach sich selbst stellt der Mensch nicht nur die Frage: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?, sondern auch: Was soll ich tun? Wer soll ich sein? Das ist die