Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Sünde gestorben und Gott geweiht. Um aber reichere Frucht aus der Taufgnade empfangen zu können, will er durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte in der Kirche von den Hindernissen, die ihn von der Glut der Liebe und der Vollkommenheit zurückhalten könnten, frei werden und wird dem göttlichen Dienst inniger geweiht. Die Weihe ist aber um so vollkommener, je mehr sie durch die Festigkeit und Beständigkeit der Bande die unlösliche Verbindung Christi mit seiner Braut, der Kirche, darstellt" (LG 44).
Wer ein Gelübde macht, will Gott keine Leistung darbringen, sondern sich enger an ihn binden und ihm mit seiner Hilfe die Treue halten. Die besondere Bindung setzt eine tiefe Verwurzelung im Glauben und einen persönlichen Anruf Gottes voraus. Auf ihn antwortet der Berufene mit der Selbstübergabe in der Haltung der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams. Diese Weihe an Gott kann nur im Glauben erfaßt und gelebt werden. Der Glaube vermag den Blick auf den positiven Wert der evangelischen Räte "um des Himmelreiches willen" (Mt 19,12) zu lenken und zugleich die kritische Funktion dieser Haltungen gegenüber einem übersteigerten Streben nach Besitz, Genuß und Macht herauszustellen.

Wer ein solches Gelübde ablegt, gibt nicht in unzulässiger Weise seine Freiheit auf, sondern entscheidet sich in Freiheit, in besonderer Weise für Gott dazusein. Er gelobt sich in frei gewählter Bindung Gott an.

In der Übernahme der evangelischen Räte gibt sich der Glaubende ganz in den Willen Gottes, um Christus gleichgestaltet zu werden und "die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden" (Phil 3,10) zu erfahren. Im Weg des Gelübdes der evangelischen Räte geht es somit nicht um "religiöse Selbstverwirklichung", sondern um die totale Verfügbarkeit für den Willen Gottes. Diesem kann derjenige, der ein Leben nach den evangelischen Räten gelobt, nur entsprechen, wenn er ganz auf die Gnade Gottes vertraut. "Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt" (Phil 4,13).

Neben diesen Gelübden, in denen man sich selbst Gott weiht, gibt es Gelübde, in denen sich jemand zu einem bestimmten Tun oder zu einer Sachleistung verpflichtet (Wallfahrt, Spende,
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