Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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der Jünger Jesu. Besonders eindrucksvoll wird die Gestalt des "ungläubigen Thomas" beschrieben (vgl. Joh 20,24-29). Diese Berichte zeigen uns, daß Fragen und kritisches Nachforschen auch angesichts der Osterbotschaft ihr Recht haben. Jesus selbst spricht zu Thomas: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" (Joh 20,29).

Schon in der Zeit des Neuen Testaments gab es Versuche, die Auferstehungsbotschaft und das leere Grab als Betrug der Jünger zu erklären (vgl. Mt 28,13). Seit der Aufklärung kam es neben der Betrugs- und Diebstahlshypothese zur Verwechslungs- und Scheintodhypothese. Oft wollte man den Osterglauben aus damaligen religiösen Ideen und Erwartungen ableiten (Evolutionshypothese) oder die Erscheinungen des Auferstandenen als rein subjektive Visionen (Halluzinationen) erklären. Doch alle diese rationalen "Erklärungen" schaffen angesichts des eindeutigen und übereinstimmenden Zeugnisses des Neuen Testaments mehr Probleme, als sie lösen. Im Unterschied zum Neuen Testament rechnen sie von vornherein nur mit weltimmanenten Ursachen. Damit verfehlen sie aber die Perspektive Jesu und der Heiligen Schrift. Heute sind diese Hypothesen in der seriösen Theologie praktisch aufgegeben.

Heute werden neue Fragen gestellt. Es wird gefragt, wie die Auferstehungsbotschaft zu verstehen ist. Ist sie ein "objektives" Geschehen in Raum und Zeit, aufgrund dessen der zuvor am Kreuz Gestorbene lebt? Doch wie lebt er? Keinesfalls kehrt der Auferstandene in das alte Leben zurück, sondern er lebt ein neues Leben aus Gottes Macht. Aber wie haben wir uns dieses neue Leben zu denken? Ist die Auferstehung nur ein Symbol bzw. eine Chiffre, welche die endgültige und bleibende Bedeutung des irdischen Jesus und seiner "Sache" zum Ausdruck bringen soll? Ist sie gar nur eine Chiffre für die Unzerstörbarkeit des Lebens und der Liebe? Aber wäre mit solchen Deutungen die biblische Botschaft von der Auferstehung nicht gänzlich entleert? Was meint also der Glaubensartikel von der Auferstehung Jesu?

Der zentrale und fundamentale Charakter der Botschaft von der Auferstehung einerseits, die Fragen, die sie aufgibt, andererseits veranlassen uns, zunächst einmal genau auf das Zeugnis der Heiligen Schrift von der Auferstehung Jesu und von den Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern zu hören. Von dorther können unsere Fragen eine Antwort finden.

2. Die biblischen Zeugnisse von der Auferstehung

2.1 Die frühen Auferstehungsbekenntnisse

Die Auferstehungsaussagen des Neuen Testaments zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Zurückhaltung aus. Im Unterschied zu den späteren apokryphen Schriften und zu vielen künstlerischen Darstellungen kennt das Neue Testament keinerlei
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