Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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Gottes Tat in seiner Leiblichkeit in die Herrlichkeit Gottes aufgenommen wurde, daß er bei Gott lebt. Damit ist die Auferstehung kein "historisches Ereignis" im üblichen Verständnis, d. h. ein Ereignis, das allgemein nachprüfbar, mit anderen Ereignissen vergleichbar, in den Gang der Geschichte eingeordnet und der Vernunft begreiflich gemacht werden könnte. Es ist freilich unaufgebbar für den christlichen Glauben, daß Jesu Auferweckung in Zeit und Geschichte geschehen ist. Sie ist dabei unterschieden von den Wundern, die Jesus während seines irdischen Lebens gewirkt hat. Der Auferstandene kehrt ja nicht (wie etwa der Jüngling von Naïn oder das Töchterchen des Jaïirus in diese Welt und in dieses Leben zurück; er geht vielmehr in die nicht mit den Sinnen wahrnehmbare, zeitüberlegene Welt Gottes ein. So ist die Auferstehung ein im Raum der Geschichte erfolgtes, an der geschichtlichen Person Jesu von Nazaret sich vollziehendes, deren eigene Geschichte vollendendes und die Vollendung aller Geschichte einleitendes Geschehen, das grundsätzlich nur im Glauben zugänglich ist, weil es nur durch Gott möglich ist.

Diese eigentümliche Verschränkung von Glaube und Geschichte zeigt sich vor allem in der Bekenntnisaussage von der Auferstehung "am dritten Tag". Für das Alte Testament ist der dritte Tag der Tag der Wende zum Besseren und zum Heil (vgl. bes. Hos 6,2; Jona 2,1). Nach dem Judentum läßt Gott die Gerechten niemals länger als drei Tage in Not. Diese Heilshoffnung ist in Jesus Christus in einem ganz ungewöhnlichen Maß erfüllt. Denn hier geschieht die Wende nicht innerhalb der Geschichte. So wird der ganze Ernst des Endes und des Scheiterns im Tod gewahrt. Aber es wird zugleich gesagt, daß sich eben in der letzten Ausweglosigkeit Gottes Macht und Treue bewährten und eine absolute Wende bewirkt haben. Indem der Tod durch den Tod besiegt wurde, ist in der Geschichte etwas alle Geschichte Überschreitendes geschehen.

Woher nimmt der Glaube diese Gewißheit? Die Glaubensgewißheit von der Auferstehung Jesu ist nach der zitierten Bekenntnisformel darin begründet, daß der Auferstandene vor von Gott erwählten Zeugen erschienen ist oder, wie man deutlicher übersetzen muß: "sich ihnen sichtbar machte", "sich ihnen offenbarte" (vgl. 1 Kor 9,1; Gal 1,16). Wieder gibt uns das Neue Testament keinerlei Beschreibung des konkreten Vorgangs der Erscheinung. Das Wie der Erscheinungen tritt völlig
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