Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Weltbilder und mythologischer Weltdeutung steigend. Dahinter können psychologische Gründe stehen, aber auch eine Enttäuschung über das Versagen von Wissenschaft und Technik sowie das Gespür dafür, daß das rationalistische Weltbild der Aufklärung nicht ausreicht, um alle Phänomene der Welt zu erklären und den Menschen einen Sinn zu vermitteln. Daraus erwächst die Suche nach einem Weltbild und nach einer Schicksalsbewältigung durch okkulte Praktiken und durch Zuwendung zu Bewegungen, die den Anbruch eines "neuen Zeitalters" (New Age) ansagen.

In theologischer Hinsicht ist das Aufbrechen einer neuen Welle des Okkultismus ein Zurückfallen hinter die Einsichten des christlichen Gottes- und Menschenbildes und hinter die theologische Deutung des zweiten Gebotes. Der christliche Glaube sieht im Verhältnis zwischen Gott und den Menschen eine personale Beziehung. Diese verbietet ein Zurückfallen in Praktiken, mit denen über Gottes Freiheit und seine befreiende Zuwendung zu den Menschen verfügt werden soll. Wer sich in okkulten Praktiken die Kraft Gottes dienstbar machen will, macht Gott zum unfreien Götzen und liefert dadurch zugleich seine eigene Freiheit an die Unfreiheit aus; er fällt zurück in die Sklaverei der Abhängigkeit von Götzen. Demgegenüber ergeht vom zweiten Gebot her die Aufforderung: Wenn du Gott als den freien und befreienden Gott erfahren hast, kannst du doch Gottes Namen nicht mehr mißbrauchen und über Gott verfügen wollen.

Die gegenwärtige Zuwendung vieler Menschen zu okkulten Praktiken und zu Vorstellungen eines "neuen Zeitalters" ist aber auch eine kritische Anfrage an die Kirche und an die Gläubigen. Das Entstehen von Aberglaube und Okkultismus ist möglicherweise ein Ausdruck dafür, daß viele den christlichen Gott und den christlichen Glauben in der Kirche und bei den Gläubigen zu wenig als Befreiung zum wirklichen Menschsein erfahren. Das Wissen um Gott als Person und die rationale Erklärung von Glaubenswahrheiten sind in der Kirche notwendig, aber sie reichen nicht aus, um den Menschen für Gott und von Gott "ergriffen" werden zu lassen. Wo Kirche als Gemeinschaft von Glaubenden erlebt wird, die Gott als freien und befreienden Gott erfahrbar macht, wo die Frohbotschaft nicht Drohbotschaft wird und wo ihre Liturgie, ihr Beten, ihre Frömmigkeit Raum läßt für die innere Begegnung des Herzens mit dem unendlichen Geheimnis der Person Gottes, da ist nicht zu befürchten, daß irrational-magisches Denken aufbricht und der Name Gottes durch eine falsch geleitete Volksfrömmigkeit "entheiligt" wird. Gottes befreiende Gegenwart und sein Handeln in der Kirche, in den Menschen und in der alltäglichen Gegenwart wird am ehesten erfahrbar in der Art und Weise, wie Menschen mit Menschen umgehen, wie sie die geschenkte Freiheit in Gerechtigkeit und Liebe verwandeln und wie sie Gottes Schöpfung achten. Dadurch wird sein Name geheiligt.


Wie es der gesamten Tendenz der Offenbarung Gottes widerspricht, sich auf irgendeine Weise der Macht Gottes bedienen zu wollen, so widerspricht es auch der Ehre Gottes, unter Anrufung seines Namens Verwünschungen und Verfluchungen auszusprechen.

In heidnischen Religionen ist der Fluch eine magische Handlung, die den Feind oder Gegner schädigen soll. Auch im Alten Testament begegnet der Fluch an vielen Stellen. Hier wird er in die Ordnung Gottes gestellt. Gott selbst äußert seinen Zorn
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