Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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Ostererzählungen von der Sache her notwendig in vielfacher Hinsicht schwebend bleiben. Es handelt sich ja um Grenzaussagen, die etwas im Grunde nicht mehr Aussagbares in Worte fassen. Deshalb sind sie von einer eigentümlichen Spannung durchzogen: Einerseits ist der auferstandene Herr seinen Jüngern nahe, und doch entzieht er sich ihnen immer wieder. Diese eigenartige Mischung von Fremdheit und Vertrautheit bringt zum Ausdruck, daß im Ostergeschehen die dem Menschen absolut verborgene Herrlichkeit Gottes, in deren Geheimnis die Auferstehung sich ereignet, in die raum-zeitliche Geschichtswelt hereinbricht als Verheißung und als Hoffnung auf deren künftige Verklärung.

2.3 Die Zeugen der Auferstehung

Die Erscheinungen des Auferstandenen sind nicht rein private Erlebnisse der Apostel, sondern stets verbunden mit der Sendung zum vollmächtigen missionarischen Zeugnis. Sie erlauben deshalb kein distanziertes und neutrales, nur "objektives" und allgemeines Betrachten, sondern fordern Glauben und Zeugenschaft. Am großartigsten ist in dieser Hinsicht der Bericht des Matthäusevangeliums von der Erscheinung des Auferstandenen auf einem Berg in Galiläa:
"Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Mt 28,18-20)
Durch die Erscheinungen des Auferstandenen und durch die damit verbundene Sendung werden die Apostel zum Fundament des Glaubens der Kirche und zu den maßgeblichen Autoritäten für die Kirche aller Zeiten bestellt. Deshalb ist es von Bedeutung, daß jeweils Kephas bzw. Simon Petrus an erster Stelle genannt wird (vgl. 1 Kor 15,5; Lk 24,34; Joh 20,3-8; 21,15-19); er ist der Urzeuge des Auferstehungsglaubens.

Die Erscheinungen des Auferstandenen haben also auch eine kirchenbegründende Bedeutung. Sie zeigen, daß die Kirche von Anfang an und von ihrem Wesen her apostolisch ist. Denn es
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