Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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eine schwere Hypothek der Vergangenheit auf der Kirche mit den Vorgängen, die mit der Inquisition in Zusammenhang stehen.

Die Inquisition ist die am meisten mißverstandene, aber auch die am meisten mißbrauchte Institution. Ihr ursprünglicher Sinn bestand darin, die Einheit des Glaubens vor der ernsthaften Bedrohung durch glaubensfremde, schwärmerische und umstürzlerische Bewegungen zu bewahren, die im Mittelalter, wie etwa bei den Katharern, zur Gründung von Neben- und Gegenkirchen führten. 1184 kam es, entsprechend dem damaligen Verständnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit, zwischen Papst Lucius III. und Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) zu einer Vereinbarung über die Verfolgung von Häretikern. Der kirchlichen Obrigkeit kam die Aufgabe zu, vermutete Straftaten (Ketzerei) auszuforschen und zu verurteilen (inquisitio), während die weltliche Obrigkeit für die Vollstreckung des Urteils zu sorgen hatte. Die weltliche Obrigkeit, die sich als Schutzherrin der Kirche verstand und die Auflehnung gegen die christliche Religion als Bedrohung der christlichen Gesellschaft (res publica christiana) ansah, war an der Verfolgung der Häretiker in hohem Maße interessiert und drängte in der Folgezeit auf einen Ausbau der Inquisition. Bedeutende Theologen wie Thomas von Aquin (1225-1274) lieferten die theologische Rechtfertigung für die Verfolgung und Hinrichtung von hartnäckigen Häretikern (vgl. S. th. II II q. 11, art. 3).

Die Inquisition ist in der Folgezeit von den verschiedenen zuständigen Institutionen in den einzelnen Ländern in sehr unterschiedlicher Weise durchgeführt worden. Neben fanatischen Verfechtern gab es auch scharfe Gegner des Mißbrauchs der Inquisition, besonders bei der späteren Hexenverfolgung (Friedrich Spee) vom 15. bis 18. Jahrhundert.

Die Tragik der Inquisition besteht darin, daß dem damaligen Denken noch die Begründung der heute als selbstverständlich empfundenen Toleranz fehlte, daß ferner die ursprünglichen Anliegen einer ordentlichen rechtlichen Instanz im Sog von Exzessen und Massenwahn verfälscht und mißbraucht wurden und daß sich schließlich die Bemühungen von Kräften, die sich - wie die Inquisition in Spanien - gegen den Hexenwahn stellten, nicht genügend durchsetzen konnten. Mit der Abschaffung der Inquisition (in Portugal erst 1821 und in Spanien erst 1834)
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