Band I - Zweiter Teil Jesus Christus
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zuführen (vgl. Apg 1,8). Mit der heilsgeschichtlichen Aufeinanderfolge der Ereignisse von Auferweckung, Himmelfahrt und Geistausgießung will Lukas die Kontinuität der Zeit Jesu und der Zeit der Kirche ausdrücken. In den 40 Tagen überlappen sich sozusagen beide Zeiten. Damit ist die Zeit der Kirche mit der Zeit, da Jesus sichtbar auf Erden weilte, verklammert. So ist die Himmelfahrt Jesu Christi weniger ein Abschluß als ein neuer Anfang. Sie leitet die Zeit ein, in der Jesus Christus, der erhöhte Herr, durch seinen Geist sein Werk in der Kirche und in der Geschichte weiterführt.

4.2 Die Herrschaft Jesu Christi

Die Herrschaft des zur Rechten des Vaters erhöhten Jesus Christus wird in der Heiligen Schrift und in der kirchlichen Glaubensüberlieferung in vielfacher Weise beschrieben. In neuerer Zeit hat sich die Lehre vom dreifachen Amt, vom prophetischen, priesterlichen und königlichen Amt Jesu Christi eingebürgert.

1. Das prophetische Amt Jesu Christi. Im Neuen Testament wird Jesus öfter als der im Alten Testament verheißene Prophet (vgl. Dtn 18,15) bezeichnet (vgl. Apg 3,22; Joh 1,45; 6,14). Ebenso wird er oft Lehrer genannt (vgl. Mk 10,17 u. a.). Das vierte Evangelium nennt ihn das Licht der Welt (vgl. Joh 1,8; 8,12; 12,46), die Wahrheit (vgl. 14,6). Dazu ist er in die Welt gekommen, daß er für die Wahrheit Zeugnis ablegt (vgl. 18,37). So ist er die endgültige Wahrheit über Gott, den Menschen und die Welt, er ist unter den vielen Irrlichtern und Blendwerken in der Welt das Licht, das uns die Menschen und die Dinge unverstellt sehen läßt und uns in der Verfinsterung und Verblendung, die Folge der Sünde und Zeichen der Unheilssituation des Menschen sind, den Sinn unseres Daseins, den Sinn auch des Leidens und des Sterbens erschließt. Als der Prophet ist Jesus Christus der Schlüssel zum Verständnis des Menschen; ohne Jesus Christus kann der Mensch sich selbst und seine Welt nicht voll begreifen. In Jesus Christus offenbart Gott "dem Menschen den Menschen" (GS 22). Nicht umsonst wird Jesus Christus in der Liturgie von Weihnachten und Epiphanie als das aufgehende Licht der Sonne, letztlich als Weltensonnenwende gefeiert. Die Liturgie der Osternacht begrüßt Jesus Christus im Symbol der Osterkerze mit dem dreifachen Ruf: "Lumen Christi" - "Christus, das Licht!"
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