und sind sie nicht grundsätzlich orientierungslos, wenn sie sich nicht in einen umfassenderen Sinnzusammenhang, wie ihn allein die Religionen zum Ausdruck bringen, einordnen? Gibt es denn eine realistische Alternative?
Gegenwärtig zeigt sich in allen Teilen der Welt ein Wiedererwachen religiöser Fragen. In Situationen der Unterdrückung und der Verfolgung ist die Religion oft der letzte Hort der Freiheit. Wo keine Religion ist, da schaffen sich die Menschen oft Ersatzreligionen. Das zeigt, daß die Religionen heute alles andere als am Absterben sind. Religion gehört offenbar zum Menschen, der sich eine Frage ist, auf die er selbst keine Antwort geben kann. Die Antwort der Religionen sollte darum nicht zu schnell abgetan werden. Sie gibt nach wie vor zu denken. Sie könnte - hindurchgegangen durch das läuternde Feuer des Atheismus - in der gegenwärtigen Krise der Menschheit das eine und im Letzten einzig Notwendige und das die Not Wendende sein.
4. Wege der Gotteserkenntnis
4.1 Der Weg ist der Mensch
Die Religionen haben das Bild Gottes wie das Bild des Menschen oft verstellt und verfälscht. In den Religionen der Menschheitsgeschichte steckt aber auch eine tiefe Wahrheit. Sie sagen uns etwas bleibend Gültiges über unser Menschsein. Sie machen Ernst mit der Endlichkeit des Menschen. Diese zeigt sich darin, daß wir als Menschen mit all unseren Fragen nie an ein Ende kommen können. Jede Antwort löst neue Fragen aus. Wir müssen immer wieder umlernen. Unser Nichtwissen ist jeweils größer als unser Wissen. Auch bei unserer Suche nach dem Glück können wir nie ganz erfüllt werden. Es gibt zwar Augenblicke, in denen wir uns ganz erfüllt fühlen. Wir möchten sprechen: "Verweile doch, du bist so schön". Aber bald stellt sich heraus, daß auch solche Augenblicke nur ein Versprechen sind, das nie voll eingelöst werden kann. Nichts in dieser Welt kann mein Alles sein. Denn alles, was uns begegnet, ist endlich und begrenzt, unvollkommen und vergänglich. Auch die Bibel kennt diese Erfahrung. Im Buch Kohelet (Prediger) im Alten Testament lesen wir: