1. Wert und Würde des menschlichen Lebens
1.1. Der Wortlaut des Gebotes
Der Wortlaut des fünften Gebotes ist in den beiden Textfassungen des Dekalogs gleich:
"Du sollst nicht morden" (Ex 20,13; Dtn 5,17).
In den heutigen Katechismen weicht die Formulierung des fünften Gebotes von der Bibelübersetzung des alttestamentlichen Textes ab. Der Grund dafür, daß die Bibel von "morden" anstelle von "töten" spricht, ist darin zu sehen, daß das entsprechende hebräische Wort nicht "töten" im Sinne von Tötung überhaupt meint, sondern rechtswidriges Töten. Es zielt in erster Linie auf den Mord, schließt aber auch die fahrlässige Tötung ein (vgl. zum Ganzen KKK 2258-2330).
1.2. Der Sinn des Gebotes
Im fünften Gebot spiegelt sich in Israel die Überzeugung wider, daß Leben etwas Wertvolles und Heiliges ist. Das gilt insbesondere für das menschliche Leben, denn der Mensch ist Abbild Gottes. Darin besteht sein Wert und seine Würde. Über ihn dürfen andere nicht eigenmächtig verfügen. Wer gegen das menschliche Leben verstößt, wird schwer bestraft: 5b>"Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut wird durch Menschen vergossen. Denn: als Abbild Gottes hat er den Menschen gemacht" (Gen 9,6). Das vorsätzliche Auslöschen des Lebens eines Mitmenschen wird als "zum Himmel schreiende" Sünde angesehen (Gen 4,10). Für sie wurde die Todesstrafe ausgesprochen, von der sich der Mörder durch keinerlei Ersatzleistung loskaufen konnte (vgl. Num 35,25). Gerade an dieser schweren Sanktion der Gemeinschaft wird die Achtung vor dem Gott des Lebens offenbar.
In der Frühzeit Israels wurde das Verbot des rechtswidrigen Tötens streng gehandhabt. Wer gegen dieses Verbot verstieß, mußte mit dem gleichen Maß an Vergeltung rechnen, wie das Maß des Verbrechens war. Das Verbot des Mordens hatte eine individuelle und eine soziale Bedeutung. Es wollte den Wert jedes einzelnen