Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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Kindes, besonders die Mutter, aufgerufen sind, ihre Entscheidung für das Kind, nicht gegen es zu treffen und ihm ihre gesamte Zuwendung zu schenken.

Oft begegnet man hiergegen dem Einwand, das Austragen und Aufziehen eines schwer geschädigten Kindes sei für die Eltern nicht zumutbar. Andere meinen, ein Kind, das mit einer schweren Mißbildung oder mit einer unbehebbaren Behinderung leben müsse, habe kaum eine echte Chance zu einer humanen Selbstverwirklichung. Deshalb müsse es im Interesse aller liegen, daß das Kind erst gar nicht geboren werde. Ein mongoloides Kind, das auch als Erwachsener nie über die Intelligenzstufe eines fünf- bis sechsjährigen Kindes hinausgelange, sei zwar nicht unglücklich, aber es werde nie selbständig und bleibe immer auf die Eltern angewiesen. Oft überlebe es sogar die Eltern. Wer solle dann für es sorgen? Wäre es nicht besser, ein solches Kind im Mutterleib zu töten?

Wer so denkt, muß sich fragen lassen, welche Geisteshaltung er einnimmt und welche Konsequenzen sie mit sich bringt. Was sollen Eltern dazu sagen, die ein schwer behindertes Kind mit großer Liebe betreuen? Bedeuten ihre Opfer nichts? Und sollen die heute lebenden Behinderten denken, sie hätten eigentlich gar nicht geboren werden dürfen? Haben sie nur Glück gehabt, daß es zu der Zeit, als sie im Mutterleib heranwuchsen, noch keine vorgeburtliche Untersuchung gab? Womit rechtfertigt man bei einer solchen Mentalität eigentlich das Lebensrecht der geborenen Behinderten, wenn man es den ungeborenen abspricht? Auch Zuckerkrankheit, Kurzsichtigkeit, Farbenblindheit und Gicht sind erblich bedingte Behinderungen.


Der Wert eines Menschen gründet nicht in seiner Gesundheit, in seiner Glücksfähigkeit, in seiner Nützlichkeit, in seinem Geschlecht, in seinem Angenommensein durch die Eltern, sondern in seinem Menschsein, in seiner Gottebenbildlichkeit, in seinem Angenommensein von Gott und in seiner Berufung auf eine ewige Zukunft hin. Deshalb ist die eugenische oder genetische Indikation kein Hinweis darauf, daß geschädigtes oder krankes Leben beseitigt werden soll, vielmehr wird uns zugemutet, in wahrhaftem Sinne human zu sein. Deshalb gilt als ethisch verbindliches Prinzip, daß jedes menschliche Wesen als Person geachtet und behandelt werden muß. Deshalb muß auch das geschädigte menschliche Leben im Rahmen der medizinischen Möglichkeit versorgt und betreut werden. Daraus ergibt sich, daß sich ein Arzt einer moralisch unerlaubten Beihilfe schuldig machen würde, wenn er beim Durchführen der Diagnose und beim Mitteilen des Ergebnisses absichtlich dazu beitrüge, eine Verbindung zwischen vorgeburtlicher Diagnose und Abtreibung herzustellen (vgl. zum Ganzen KKK 2274 sowie die Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung vom 10. 3. 1987, I, 2).
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