Band I - Erster Teil Gott der Vater
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4.5 Gottesbeweise?

Um die Vernunftgemäßheit des Glaubens an Gott aufzuweisen, entwickelte die Theologie sogenannte Gottesbeweise. Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um Beweise, wie sie uns aus der Naturwissenschaft oder aus der Mathematik geläufig sind. Gott ist kein Sachverhalt, der allgemeiner Nachprüfung offensteht. Man kann aber einladen, einen Weg des Denkens mitzugehen. Thomas von Aquin, einer der größten Theologen des Mittelalters, der diese Gottesbeweise besonders ausgebildet hat, spricht nicht umsonst von "Wegen". Einen Weg muß man gehen, damit sich eine Landschaft erschließt. So muß man auch auf den Wegen der Gotteserkenntnis bereit sein, seine Vorurteile abzulegen und sich dem Geheimnis Gottes zu öffnen. Dann kann deutlich werden, daß der Glaube an Gott nicht unvernünftig ist, sondern durchaus dem Geheimnis, das sich in der Vernunft des Menschen andeutet, entspricht.

Wir könnten freilich nicht nach Gott fragen, wenn wir von Gott noch nie etwas gehört hätten, wenn wir von seiner Wirklichkeit nicht im Innern berührt wären, wenn uns noch keinerlei Erfahrung Gottes zuteil geworden wäre. Die Gottesbeweise sollen also den Glauben nicht durch Wissen ersetzen, sondern umgekehrt gerade zum Glauben einladen, im Glauben bestärken und Rechenschaft vom Glauben geben. Sie entsprechen der Mahnung der Schrift: "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt" (1 Petr 3,15).

Die erste, ältere Form der Gottesbeweise verweist auf die Wirklichkeit der Welt. Sie ist in steter Bewegung und in dauerndem Wandel. Alles, was sich bewegt, wird von einem anderen bewegt. Dabei herrscht durchaus Ordnung in der Welt. Woher ist alles? Woher insbesondere diese Ordnung? Man kann immer weiter zurückfragen. Eine Ursache bewirkt die andere, alles ist durch alles bedingt. Doch dabei kann man nicht ins Unendliche gehen. Irgendwo muß eine erste Ursache, ein erster Anfang der Bewegung und Veränderung sein. Man mag auf ein Uratom oder eine Urzelle des Lebens verweisen. Doch das genügt nicht. Denn woher ist dieser Anfang, und woher hat er die ungeheure Energie, die gesamte weitere Entwicklung aus sich zu entlassen? Es geht ja nicht nur darum zu erklären, wie die Welt geworden ist. Dazu kann die heutige Wissenschaft
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