Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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wie auch das Abschiednehmen, der Verlust und die Trennung von Menschen. Der Tod eines geliebten Menschen entreißt unserem Leben Unwiederbringliches. Zugleich konfrontiert er uns mit dem eigenen Sterbenmüssen.

Schmerzen, Krankheit und Leid sind Erfahrungen, die den Menschen unausweichlich treffen und betroffen machen. Ihre Ursachen können verschieden sein. Krankheit kann eine Störung der körperlichen oder psychischen Funktionen sein; sie kann uns als plötzlich eintretendes Schicksal (Krebs, Unfall) überfallen; wir können sie durch unsere eigene Lebensweise selbst verursacht haben. Krankheit betrifft als Kranksein immer den ganzen Menschen. Sprache, Gebärden, Gang, Denkungsart und Verhältnis zur Umgebung werden anders, wenn der Mensch leidet. Bei körperlichem Schmerz oder seelischem Kummer ändert sich die Einstellung zu den täglichen Dingen des Lebens. Der Kranke erfährt in der Beeinträchtigung und Bedürftigkeit die verschiedenen Beziehungen, die ein Leben schön und sinnvoll machen, gestört oder gar zerstört: die Beziehung zu sich selbst, zur Umgebung, zu den Mitmenschen und oftmals auch zu Gott. Er fühlt sich aus dem normalen Leben ausgegliedert, isoliert, untauglich und überflüssig. Krankheit und Leid stellen nicht nur vor die Frage nach dem "Woher", sondern auch nach dem "Warum", nach der Sinnhaftigkeit des Leidens, ja des Lebens überhaupt. Sie sind ein Schrei nach Hilfe und Heilung, nach Leben, Gesundheit und Heil. Sie können zur Krise werden und in Verzweiflung stürzen, wenn Heilung aussichtslos ist; sie können eine Chance zu Besinnung und Einkehr sein; sie können zu einem Anruf an die Mitmenschen um Zuwendung und Begleitung werden; und sie können ein Prüfstein für das Verhalten der Mitmenschen zu kranken, alternden und sterbenden Menschen sein. Krankheit und Leiden erinnern an die Endlichkeit allen irdischen Lebens, an Sterben und Tod.

Aus der inneren Verflochtenheit von Leben, Krankheit und Tod war im christlichen Bewußtsein früherer Jahrhunderte die Überzeugung lebendig, daß der Mensch stets seines Todes eingedenk sein solle: Momento mori - Bedenke, daß du sterben wirst! Im Werden und Vergehen der Natur, in Geburt und Tod, in Feiern der Kirche begegnete der Christ dem Anruf an sein eigenes Leben und Sterben; und wenn er selber starb, geschah es zumeist in der Geborgenheit der Familie, die so wiederum selber mit Sterben und Tod vertraut wurde.

In der Neuzeit ist diese Erfahrung weithin verlorengegangen. Sterben und Tod sind mehr und mehr aus der Öffentlichkeit und aus den Familien verbannt worden. Mehr
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