Band II - Zweiter Teil Die Gebote Gottes
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In der öffentlichen Diskussion, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch und in der Rechtssprache, aber auch in kirchlichen Dokumenten begegnet uns, wenn es um Sterbehilfe und Sterbebeistand geht, immer wieder der Begriff "Euthanasie".

Das Wort "Euthanasie" (eu-thanasia) bedeutet dem Wortsinn nach "sanfter Tod". In der Antike wurde der Begriff zunächst einfach im Sinne von "Hilfe zu einem guten Tod" aufgefaßt. In späterer Zeit verstand man darunter die absichtliche Verkürzung des Sterbeprozesses. Der Sterbende erfährt nicht eine Hilfe bei seinem Sterben, sondern sein Sterben wird durch Tötung abgekürzt. Im Nationalsozialismus verstand man unter Euthanasie die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" und ordnete im "Euthanasieprogramm" die Tötung von Zehntausenden geisteskranker Menschen an. Es ging nicht um die Tötung Sterbender, sondern um die Vernichtung lebensfähiger Menschen.

Heute begegnen uns häufig die Begriffe "passive" und "aktive" Euthanasie. Unter passiver Euthanasie versteht man den Verzicht auf Anwendung von Mitteln, die bei einem Sterbenden zu einer kurzzeitigen Lebensverlängerung führen, aber eigentlich nur eine Leidensverlängerung bedeuten würden. Da es sich hierbei um Sterbenlassen, nicht aber um aktives Töten handelt, wird passive Euthanasie im allgemeinen als sittlich erlaubt angesehen. Allerdings wird ein Verzicht auf Anwendung von Mitteln zu einer aktiven Euthanasie, wenn es sich um eine schuldhafte Unterlassung handelt, in der die Absicht enthalten ist, das Leben vorzeitig zu beenden. - Aktive Euthanasie dagegen ist das direkte Eingreifen in den Sterbeprozeß durch Tötung des Patienten, auch wenn diese auf Wunsch des Patienten geschieht ("Tötung auf Verlangen"). Die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie (1980) versteht unter Euthanasie "eine Handlung oder Unterlassung . . ., die ihrer Natur nach oder aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um so jeden Schmerz zu beenden". Euthanasie findet sich also sowohl auf der Ebene der Intention als auch der angewandten Methoden (AAS 72, 1980, 542-555).

Um Mißverständnisse und Fehldeutungen zu vermeiden, sollte der Begriff Euthanasie nur im Sinne der aktiven Euthanasie als direkte Tötung eines Sterbenden (oder unheilbar Kranken) und als schuldhafter Verzicht auf eine geforderte Lebenserhaltung verwendet werden. In allen anderen Fällen sollte immer nur von Hilfe beim Sterben, von Sterbebeistand oder Sterbebegleitung die Rede sein.


Sterbehilfe als Sterbebeistand oder Sterbebegleitung will einem Sterbenden das Sterben erleichtern und ihm helfen, seinen eigenen Tod sterben zu können. Man könnte hier deshalb auch von Lebenshilfe für Sterbende sprechen. Eine solche Hilfe kann in mehrfacher Weise gewährt werden.

Viele Menschen sterben im hohen Alter ohne dramatische Operationen und Intensivtherapien. Für sie vollzieht sich das Sterben als Prozeß des Nachlassens der Kräfte, der Einengung der Erlebnisfähigkeit und des allmählichen Versagens der lebenserhaltenden organischen Funktionen. Sterbebeistand kann hier sinnvollerweise nur in der Anwendung von Mitteln bestehen, die schmerzlindernd wirken. In einer solchen Situation wäre es
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